Ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz kann zulässig sein

Arbeitgeber dürfen laut Urteil des Europäischen Gerichtshofs das Tragen von Kopftüchern verbieten. Entscheidend ist, ob es eindeutige Regeln des Unternehmens dafür gibt.

Dies hatte der EuGH in zwei Fällen zu entscheiden.

1. Eine belgische Firma, die Rezeptionsdienste anbietet, hat all ihren Mitarbeitern untersagt, äußerliche Zeichen religiöser, politischer oder philosophischer Überzeugungen zu tragen. Als eine muslimische Mitarbeiterin ihren festen Entschluss mitteilte, auch künftig während der Arbeitszeit ein Kopftuch tragen zu wollen, wurde sie entlassen. Vor den belgischen Gerichten klagte sie darum auf Schadensersatz. Der belgische Kassationshof (das höchste ordentliche Gericht Belgiens) legte dem EuGH die Frage vor, ob das Gebot zur Neutralität eine „unmittelbare Diskriminierung“ der Muslima sei.

2. In einem zweiten Fall klagt eine Software-Designerin aus Frankreich gegen ihren Arbeitgeber. Sie hatte sich geweigert, beim Kontakt mit einem Kunden ihr Kopftuch abzulegen. Der Kunde beschwerte sich darüber, die Frau wurde deshalb entlassen. Nach der entsprechenden EU-Richtlinie dürfen Mitgliedstaaten Ungleichbehandlungen von Arbeitnehmern zulassen, wenn „aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübungen wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen“ bestehen. Aber: Kann man die Beschwerde eines Kunden schon als eine solche „berufliche Anforderung“ auslegen? Diese Frage legte der französische Kassationshof (das höchste ordentliche Gericht Frankreichs) dem EuGH vor.

Das Urteil hat auch Folgen für die Rechtsprechung im Deutschland, denn der Europäische Gerichtshof gibt den nationalen Gerichten die Richtung vor. Wenn sich also künftig hierzulande gleiche Fragen stellen, müssen sich die Richter an den EuGH-Entscheidungen zum Diskriminierungsverbot orientieren.

Bisher gibt haben die deutschen Gerichte unterschiedliche Urteile zum Kopftuch von Arbeitnehmerinnen gefällt: 2002 im Falle einer Kaufhausverkäuferin urteilte das Bundesarbeitsgericht, der Frau hätte nicht gekündigt werden dürfen. 2014 wiederum urteilte dasselbe Gericht, dass kirchliche Arbeitgeber muslimischen Mitarbeitern das Tragen des Kopftuchs im Dienst verbieten dürfen.

2015 schränkte das Bundesverfassungsgericht allerdings ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrkräfte ein. 2016 urteilte es im Falle einer Erzieherin, dass niemand einen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf hat, „von der Wahrnehmung anderer religiöser oder weltanschaulicher Bekenntnisse verschont zu bleiben“.

(Quelle: Beck online, mdr.de)

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BAG: Kürzere Kündigungsfrist in der Probezeit muss sich aus Arbeitsvertrag deutlich ergeben

Sieht der Arbeitsvertrag eine Probezeit von längstens sechs Monaten vor, kann das Arbeitsverhältnis in dieser Zeit gemäß § 622 Abs. 3 BGB ohne weitere Vereinbarung von beiden Seiten mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Ist jedoch in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag in einer weiteren Klausel eine längere Kündigungsfrist festgelegt, ohne unmissverständlich deutlich zu machen, dass diese längere Frist erst nach dem Ende der Probezeit gelten soll, ist dies vom Arbeitnehmer regelmäßig dahin zu verstehen, dass der Arbeitgeber schon während der Probezeit nur mit der vereinbarten längeren Frist kündigen kann. Dies stellt das Bundesarbeitsgricht in einem Urteil vom 23.03.2017 (Az.: 6 AZR 705/15) klar.

Kürzere Kündigungsfrist während Probezeit ergibt sich nur aus Verweis auf Manteltarifvertrag

Der Kläger war ab April 2014 bei der Beklagten als Flugbegleiter beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag, den die Beklagte vorformuliert hatte, war in § 1 pauschal bestimmt, dass sich die Rechte und Pflichten der Parteien nach einem Manteltarifvertrag richten. Dieser sah während der Probezeit besondere Kündigungsfristen vor. In § 3 des Arbeitsvertrags war unter der Überschrift „Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses“ vorgesehen, dass die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit gelten. In § 8 des Vertrags, der mit „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ überschrieben war, war ohne Bezugnahme auf § 1 oder § 3 des Vertrags festgelegt, dass eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende gelte. Am 05.09.2014 erhielt der Kläger eine Kündigung zum 20.09.2014. Er begehrt die Feststellung, das Arbeitsverhältnis habe erst mit Ablauf der in § 8 des Arbeitsvertrags vereinbarten Frist und damit zum 31.10.2014 geendet. Aus dem Vertrag ergebe sich nicht, dass innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses eine kürzere Kündigungsfrist gelten solle.

Durchschnittsarbeitnehmer schließt aus Verweis nicht auf verkürzte Kündigungsfrist

Das Arbeitsgericht hatte die Klage noch abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht aber hatte auf die Berufung des Klägers das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte nun vor dem BAG keinen Erfolg. Die Bestimmungen des von der Beklagten vorformulierten Arbeitsvertrags seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher, regelmäßig nicht rechtskundiger Arbeitnehmer versteht. Aus Sicht eines solchen Arbeitnehmers lasse eine Vertragsgestaltung wie die im Arbeitsvertrag der Parteien nicht erkennen, dass dem Verweis auf den Manteltarifvertrag und der Vereinbarung einer Probezeit eine Bedeutung für Kündigungsfristen zukommt. Nach Wortlaut und Systematik des Vertrags sei vielmehr allein die Bestimmung einer sechswöchigen Kündigungsfrist maßgeblich. Diese Frist gelte auch für Kündigungen in der vereinbarten Probezeit.

(Quelle: Beck online)

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RBH obsiegt beim Bundesarbeitsgericht

arbeitsrecht1In einem Verfahren vor dem BAG hat die Rechtsanwaltskanzlei Berth & Hägele einen Arbeitnehmer erfolgreich vertreten. Gegenstand der Entscheidung war, ob der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber wirksam die Inanspruchnahme der gewünschten Elternzeit mitgeteilt hat.

Folgender Sachverhalt lag hier zu Grunde:

Der Arbeitnehmer hatte zunächst per E-Mail Elternzeit für den Zeitraum 28.02.2013 bis 28.04.2013  beantragt. Nachdem ihm der Arbeitgeber mitgeteilt hatte, dass er dies so nicht akzeptieren würde, da dieser Antrag schriftlich erfolgen müsse, hat der Arbeitnehmer sodann mit einer weiteren E-Mail als Anhang den von ihm handschriftlich unterschriebenen Antrag auf Elterngeld bei der L-Bank beigefügt. In seiner E-Mail hatte er zudem seine Unterschrift eingescannt. In diesem Antrag auf Elterngeld hatte der Arbeitnehmer allerdings den Zeitraum dahingehend abgeändert, dass er nunmehr Elternzeit nicht für den Zeitraum 28.02.2013 bis 28.04.2013, sondern für den Zeitraum 01.03.2013 bis 28.03.2013 und 29.04.2013 bis 28.05.2013 begehre. Der Arbeitgeber lehnte eine Elternzeit für den zuletzt genannten Zeitraum ab und teilte mit, dass er den Arbeitnehmer an dem ursprünglichen Zeitraum 28.02.2013 bis 28.04.2013 festhalte. Nachdem auch mehrere Gespräche zwischen den Parteien zu keiner Einigung führen, teilte der Arbeitnehmer mit, dass er dann überhaupt keine Elternzeit in Anspruch nehmen möchte. Der Arbeitgeber blieb hingegen dabei, dass er davon ausgehe, dass der Arbeitnehmer in der Zeit vom 28.02.2013 bis 28.04.2013 in Elternzeit sei. Der Arbeitnehmer bot für diesen Zeitraum seine Arbeitsleistung ausdrücklich an. Nachdem der Arbeitgeber für diesen Zeitraum keinen Lohn bezahlte, klagte der Arbeitnehmer den ausstehenden Lohn im Rahmen des Annahmeverzugs ein.

Sowohl das Arbeitsgericht Stuttgart als auch das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg gaben der Klage statt. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte nun in letzter Instanz die Auffassung des Arbeitnehmers.

Maßgeblich bei der Klärung, ob der Arbeitnehmer Lohn für diesen Zeitraum verlangen könnte, war, ob er sich in diesem Zeitraum aufgrund des zuvor erfolgten Schriftverkehrs in Elternzeit befunden habe oder nicht. Zentrale Frage war hier, ob der Arbeitnehmer zuvor einen wirksamen Antrag auf Elternzeit gestellt habe. Dies war deshalb fraglich, da § 16 Abs. 1 S. 1 BEEG a.F. noch voraussetzte, dass dieser Antrag der Schriftform bedarf, der Arbeitnehmer aber in beiden Fällen sein Begehren jeweils per E-Mail dem Arbeitgeber mitgeteilt hat, was grundsätzlich für die Schriftform nach 126 BGB nicht ausreicht. Das Bundesarbeitsgericht hatte also zu klären, ob die im Gesetz vorgegebene Schriftform nach 126 BGB zwingend erforderlich ist, oder auch die reine Textform nach 126b BGB, wie zum Beispiel eine E-Mail, ausreicht.

Das BAG hat die Auffassung von RBH bestätigt, dass weiterhin an der zwingenden Schriftform festzuhalten war und dem Arbeitnehmer Recht gegeben.

Das Urteil des BAG ist unter dem folgenden Link aufrufbar:

http://juris.bundesarbeitsgericht.de/zweitesformat/bag/2016/2016-09-08/9_AZR_149-15.pdf

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Veröffentlichung von Videoaufnahmen eines Arbeitnehmers

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Unterlassung der Zugänglichmachung von Videoaufnahmen nach Beendigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie über einen damit verbundenen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld. Der Kläger war bei der Beklagten, einem Unternehmen für Kälte- und Klimatechnik, vom 15.1.2007 bis zum 15.9.2011 als Monteur beschäftigt. Im Jahre 2008 unterzeichnete er die Anlage zu einer „Einverständniserklärung“, die zum Gegenstand hatte, dass von ihm als Teil der Belegschaft Filmaufnahmen gemacht und für die Öffentlichkeitsarbeit verwendet werden durften. Für ihren Internetauftritt ließ die Beklagte daraufhin einen Werbefilm anfertigen, in welchem der Kläger in zwei kurzen Sequenzen für jeweils wenige Sekunden zu sehen war. Der Film wurde sodann auf der Homepage der Beklagten allgemein zugänglich veröffentlicht. Nach seinem Ausscheiden widerrief der Kläger im November 2011 seine „möglicherweise“ erteilte Einwilligung betreffend die Verwendung seines Bildes auf den Filmaufnahmen und forderte die Beklagte auf, das Video von der Internetseite zu entfernen. Dem entsprach diese unter Vorbehalt.

Das ArbG Koblenz wies die daraufhin erhobene Unterlassungs- und Schmerzensgeldklage ab. Auch die eingelegte Berufung des Klägers wurde von dem LAG Rheinland-Pfalz zurückgewiesen. Die vom Kläger eingelegte Revision hatte vor dem BAG ebenfalls keinen Erfolg.

Das BAG bestätigte im Ergebnis die Rechtsansicht des LAG und stellte fest, dass die im Jahre 2008 erteilte Einwilligung des Klägers in die Veröffentlichung und Nutzung der von der Beklagten zu Werbezwecken erstellten Videoaufnahmen weiterhin fortbestehe. Die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung müsse bei der Veröffentlichung von Bildnissen eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber wegen des betroffenen Rechts auf informationelle Selbstbestimmung schriftlich erfolgen. Sei diese schriftliche Einwilligung wie vorliegend ohne jede Einschränkung erteilt worden, so erlösche sie nicht automatisch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ein solches automatisches Erlöschen trete nur dann ein, wenn der Arbeitnehmer seine Einwilligung von vornherein ausdrücklich auf den Zeitraum des Bestehens des Arbeitsverhältnisses begrenzt habe.

Ein nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärter Widerruf der Einwilligung durch den Arbeitnehmer sei zwar grundsätzlich möglich, vermöge die erteilte Einwilligung jedoch nur dann zu beseitigen, wenn der Arbeitnehmer hierfür einen plausiblen Grund anführe. Vorliegend habe der Kläger hingegen keinen plausiblen, über die Tatsache seines Ausscheidens hinausgehenden Grund für die gegenläufige Ausübung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung geltend gemacht. Demzufolge bestehe seine Einwilligung weiterhin fort, so dass er durch eine weitere Zugänglichmachung der Videoaufnahmen nicht widerrechtlich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt werden könne.

Praxishinweis:

der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist zunächst zu entnehmen, dass dieses offenbar zwingend eine schriftliche Einwilligungserklärung des Mitarbeiters voraussetzt, obwohl der Wortlaut des § 22 KUG und auch die bisher ihre bisherige Rechtsprechung der Zivil- und Arbeitsgerichte auch eine mündliche, gegebenenfalls auch stillschweigend erklärte Einwilligung ausreichen lässt. Offenbar geht das Bundesarbeitsgerichts davon aus, dass hier die Besonderheiten des Arbeitsrechts einen stärkeren Schutz des Arbeitnehmers erfordern. Arbeitgeber sollten daher zukünftig darauf 8., dass sie in jedem Fall vorher die schriftliche Einwilligung ihrer Mitarbeiter einholen.

wweiter stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass eine zuvor erklärte schriftliche Einwilligung  zwar widerrufen werden kann, hierfür muss der Mitarbeiter  aber zumindest einen plausiblen Grund dafür angeben, wobei nicht ausreichend sein dürfte, dass dieser seine Einwilligung nur aufgrund seines Ausscheidens widerrufen möchte. Bereits in der Vergangenheit war es umstritten, unter welchen Voraussetzungen  ein Widerruf erklärt werden kann. So ging hier die Bandbreite von freier Widerrufbarzeit bis hin zum Erfordernis eines  wichtigen Grundes. diese Diskussion dürfte nunmehr geklärt sein.. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht offen gelassen, was es genau unter einem plausiblen Grund versteht. Hier wird abzuwarten sein,  wie sich die Rechtsprechung in nächster Zeit entwickelt.

BAG, Urteil vom 19.2.20158 AZR 1011/13

(Quelle: Beck online)

ArbG Köln: Arbeitgeber muss nach leicht vermeidbarer Strafanzeige Anwaltskosten erstatten

Ein Arbeitgeber, der Strafanzeige gegen seinen Arbeitnehmer erstattet hat, kann unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet sein, die Kosten für dessen anwaltliche Vertretung zu übernehmen. Dies geht aus einem am 18.12.2014 veröffentlichten Urteil des Arbeitsgerichts Köln hervor. Zu beachten seien im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses besondere Fürsorgepflichten. Im entschiedenen Fall hätte der Arbeitnehmer zumindest vor der Strafanzeige zu den Anschuldigungen befragt werden müssen, betonte das Gericht.

Die Arbeitgeberin betreibt ein Werttransportunternehmen, bei dem der Kläger als Fahrer beschäftigt war. Der Kläger hatte einen Geldschein eines Kunden zur Überprüfung seiner Echtheit der Polizei übergeben. Nach Rückerhalt des Geldscheins gab er diesen in einer Filiale der Arbeitgeberin ab, was allerdings nicht quittiert wurde. Als der Kunde später nach dem Verbleib des Geldscheins fragte und der Vorgang nicht nachvollzogen werden konnte, erstattete die Arbeitgeberin Strafanzeige gegen den zwischenzeitlich ausgeschiedenen Kläger, ohne diesen hierzu zu befragen. Nach Aufklärung des Sachverhalts stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren ein. Der Kläger hatte einen Rechtsanwalt mit der Vertretung seiner Interessen beauftragt und verlangte die Erstattung der Kosten von der Arbeitgeberin.

Das ArbG Köln hat dem Kläger Recht gegeben und die Arbeitgeberin zur Zahlung der Anwaltskosten verurteilt. Zwar dürfe jemand, der gutgläubig eine Anzeige erstatte, nicht mit dem Risiko eines Schadensersatzanspruches belegt werden, wenn sich der Verdacht später nicht bestätige. Dieser Grundsatz, den das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat, gelte im Arbeitsverhältnis jedoch nicht uneingeschränkt. Hier bestünden besondere Fürsorgepflichten, nach denen die eine Partei der anderen nicht grundlos Nachteile zufügen dürfe. Die Arbeitgeberin hätte den Kläger im konkreten Fall vor Erstattung der Anzeige befragen und den Sachverhalt auf diese Weise gegebenenfalls aufklären müssen.

ArbG Köln, Urteil vom 18.12.2014, Az. 11 Ca 3817/14

(Quelle: Beck online)

Beleidigende Worte: Immer ein mit Strafe bedrohter Unterlassungsanspruch?

Wer im Zusammenhang mit einer einmaligen Eskalation bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinen Arbeitgeber beleidigt, ist nicht immer verpflichtet, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.

Die klagende Arbeitgeberin kündigte der in einer kleinen Filiale beschäftigten verklagten Arbeitnehmerin innerhalb der Probezeit und stellte sie sofort frei. Trotz Arbeitsunfähigkeit bestand sie auf sofortige Herausgabe von Firmeneigentum. Bei der Übergabe soll die Arbeitnehmerin in Anwesenheit des Shop-Leiters zu ihrer neu eingestellten Nachfolgerin u.a. gesagt haben, sie werde auch nur verarscht und angelogen. Den abwesenden Geschäftsführer bezeichnete sie mindestens sinngemäß als „Arschloch“. Die Arbeitnehmerin war nach der Übergabe nie wieder in der Filiale und hatte keine Berührungspunkte mehr zur Firma.

Die Arbeitgeberin verlangte von ihr, eine sogenannte strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Darin sollte sie sich verpflichten, konkret bezeichnete, aber streitige Äußerungen wörtlich oder sinngemäß zu unterlassen und für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von mehr als 5.000,00 Euro zu zahlen. Dazu war die Arbeitnehmerin nicht bereit. Daraufhin erhob die Arbeitgeberin vor dem Arbeitsgericht Kiel eine entsprechende Unterlassungsklage. Sie meinte, hier bestünde Wiederholungsgefahr, wie sich schon aus der Weigerung, die Erklärung abzugeben, zeige. Die verklagte Arbeitnehmerin hat im Rahmen des Rechtsstreits wiederholt versichert, dass sie sich über die Arbeitgeberin und deren Geschäftsführer seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr geäußert habe und auch nicht mehr äußern werde, und verteidigt sich gegen die Klage.

Die Klage der Arbeitgeberin war vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht nicht erfolgreich. Die Gerichte haben die Unterlassungsklage mangels Wiederholungsgefahr abgewiesen. Sind Äußerungen bereits einmal gefallen, wird zwar an sich das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr vermutet. Liegt aber eine einmalige eskalierende Situation vor, in der etwaige ehrverletzende Äußerungen über den Arbeitgeber abgegeben wurden, noch dazu bei beendetem Arbeitsverhältnis, spricht das gegen eine Wiederholungsgefahr. Das gilt auch dann, wenn die Arbeitnehmerin sich weigert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und sich gegen eine Unterlassungsklage verteidigt. Alle Einzelumstände des Falles und auch das Prozessverhalten müssen betrachtet werden.
Das Urteil ist – noch – nicht rechtskräftig.

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.08.2014 – 3 Sa 153/14

(Quelle: schleswig-holstein.de)

Keine Hinweispflicht des Arbeitgebers auf Entgeltumwandlung

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer von sich aus auf den Anspruch auf Entgeltumwandlung zum Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung hinzuweisen.

Der Kläger war mehr als 10 Jahre beim beklagten Unternehmen beschäftigt. Es gab dort weder eine betriebliche Altersversorgung noch wurden vermögenswirksame Leistungen gewährt. Eine Vereinbarung über eine Altersversorgung durch Entgeltumwandlung (§ 1a BetrAVG) kam nicht zustande.

Nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis erhob der Kläger Klage auf Schadenersatz i.H.v. 14.380 EUR. Er machte geltend, der Arbeitgeber habe es schuldhaft versäumt, ihn auf die Möglichkeit einer Entgeltumwandlung hinzuweisen, und sei deshalb schadensersatzpflichtig. Der geltend gemachte Schaden errechne sich aus der Differenz zwischen den Entgeltbestandteilen, die für eine Entgeltumwandlung hätten aufgewendet werden müssen, und der Versicherungsleistung zuzüglich der ersparten Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, die dem Kläger zugute gekommen wären, wenn eine Direktversicherung durch Entgeltumwandlung vereinbart worden wäre.

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Der 3. Senat des BAG argumentierte mehrgleisig. Gegen eine Hinweispflicht des Arbeitgebers spreche schon die Struktur des § 1a BetrAVG. Danach könne der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber „verlangen“, dass dieser eine Versorgung über Entgeltumwandlung einrichtet. Das Gesetz gehe deshalb davon aus, dass sich der Arbeitnehmer autonom für oder gegen eine Entgeltumwandlung entscheide, bevor die Pflichten des Arbeitgebers zum Tragen kämen.

Im Übrigen spreche auch § 4a BetrAVG, der bestimmte Informationspflichten des Arbeitgebers regle, gegen eine weitergehende Hinweispflicht.

Schließlich sei an dem Grundsatz festzuhalten, dass auch im Arbeitsverhältnis jede Partei für die Wahrnehmung ihrer Interessen selbst zu sorgen hat und sich selbst Klarheit über die Folgen ihres Handelns verschaffen muss. Nur im Bereich des öffentlichen Dienstes gebe es gesteigerte Aufklärungspflichten des Arbeitgebers. Diese beruhten auf den typischerweise sehr komplexen Regelungswerken, die für den Arbeitnehmer kaum durchschaubar seien, und aus der typischerweise gegebenen Fachkunde der öffentlichen Arbeitgeber.

BAG, Urteil vom 21.01.2014 – 3 AZR 807/11

(Quelle: beck-fachdienst Arbeitsrecht – FD-ArbR 2014, 358931

LAG Hessen bejaht Entgeltfortzahlung nach mutwilliger Selbstverletzung

Der Verschuldensbegriff im Entgeltfortzahlungsrecht entspricht nicht dem allgemeinen zivilrechtlichen Verschuldensbegriff, der auch mittlere und leichte Fahrlässigkeit umfasst, sondern setzt ein besonders leichtfertiges, grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten gegen sich selbst voraus. Mit dieser Begründung hat das hessische Landesarbeitsgericht eine Entgeltfortzahlung nach einer mutwilligen Selbstverletzung bejaht. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Der Kläger arbeitet als Warenauffüller in einem Baumarkt in Osthessen und benutzt dazu einen Gabelstapler. Anfang August 2012 brachte sich der Kläger an dem Gabelstapler ein provisorisches Plexiglasdach als Wetterschutz an. Dafür wurde er von dem betrieblichen Sicherheitsbeauftragten gerügt und zum Abbau des Plexiglasdaches angehalten. Darüber geriet er derart in Wut, dass er im Zuge des Wutanfalls unter anderem mindestens dreimal mit der Faust auf ein in der Nähe aufgestelltes Verkaufsschild aus Hohlkammerschaumstoff schlug und sich dabei die Hand brach.

Er war vom 09.08. bis einschließlich 10.09.2012 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Seine Arbeitgeberin verweigerte hierfür die Entgeltfortzahlung von insgesamt 2.662,52 Euro brutto mit dem Einwand, der Kläger sei an seiner Verletzung selbst schuld. Spätestens nach dem ersten Schlag auf das Verkaufsschild hätte er die Holzstrebe spüren müssen. Die Verletzung habe er sich somit vorsätzlich beigebracht.

Das Arbeitsgericht Offenbach wie auch das Hessische Landesarbeitsgericht haben der Entgeltfortzahlungsklage dennoch stattgegeben. Denn der Verschuldensbegriff im Entgeltfortzahlungsrecht entspreche nicht dem allgemeinen zivilrechtlichen Verschuldensbegriff, der auch mittlere und leichte Fahrlässigkeit umfasst, sondern erfordere vielmehr einen groben Verstoß gegen das eigene Interesse eines verständigen Menschen. Dieses setze ein besonders leichtfertiges, grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten gegen sich selbst voraus, befand das LAG in letzter Instanz.

Ein solches Verschulden des Klägers lag nach Ansicht des LAG nicht vor. Es sei nicht ersichtlich, dass er seine Verletzung bewusst herbeiführen wollte – es habe nur mittlere Fahrlässigkeit vorgelegen. Der Kläger hätte bei verständiger Betrachtung allerdings damit rechnen müssen, dass er durch die Schläge auf das Schild eine Verletzung riskiert. Gegen eine grobe Fahrlässigkeit spreche jedoch, dass er sich offensichtlich in einem heftigen Wut- und Erregungszustand befunden und sich dementsprechend kurzzeitig nicht unter Kontrolle gehabt hatte. Das sei nicht zu billigen, aber menschlich gleichwohl nachvollziehbar, da niemand in der Lage sei, sich jederzeit vollständig im Griff zu haben. Der Kläger habe aus Wut und Erregung die erforderliche Kontrolle über sein Handeln verloren. Dies sei sicher leichtfertig gewesen, aber nicht derart schuldhaft, dass von besonderer Leichtfertigkeit oder grober Fahrlässigkeit die Rede sein könne.

LAG Hessen, Urteil vom 23.07.2013 – 4 Sa 617/13

(Quelle: Beck online)

Prozessvergleich trotz Arbeitgeberinsolvenz wirksam

Stellt die Arbeitgeberin einen Tag nach Abschluss eines Prozessvergleichs, in dem sie eine Abfindung zugesagt hat, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so führt das nicht zwangsläufig zur Anfechtbarkeit des Vergleichs wegen arglistiger Täuschung. Insbesondere dann nicht, wenn die Medien ausführlich über die Liquiditätsprobleme berichtet haben.

Die Abteilungsleiterin eines Warenhauses teilte ihrer Arbeitgeberin mit, dass sie aus ihrem Arbeitsverhältnis ausscheiden wolle, um ihrem Mann bei seiner beruflichen Selbstständigkeit zu helfen. Man kam überein, dass die Arbeitgeberin kündigen solle und beide Parteien einen gerichtlichen Vergleich protokollieren lassen würden.

Am 8. Juni 2009 schlossen die Abteilungsleiterin und die Arbeitgeberin vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich, der der Klägerin für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 55.000 € zusprach. Am 9. Juni 2009 stellte die Arbeitgeberin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Daraufhin focht die Klägerin gegenüber dem Insolvenzverwalter den gerichtlichen Vergleich wegen arglistiger Täuschung an. Auf der Grundlage des Insolvenzplanes hätte sie lediglich mit einer Quote von 3 vom Hundert zu rechnen. Die Klägerin behauptet, der Vergleich sei unwirksam, sie habe ihn im Vertrauen darauf geschlossen, der vereinbarte Abfindungsbetrag werde tatsächlich gezahlt. Die rechtlichen Folgen einer Insolvenz seien ihr nicht geläufig gewesen. Sie warf der Beklagten vor, die Zahlungsunfähigkeit bewusst verheimlicht zu haben.

Das Bundesarbeitsgericht hat die Revision zurückgewiesen. Der Prozessvergleich hat den Rechtsstreit wirksam beendet. Die Fortsetzung des Verfahrens sei nur bei Unwirksamkeit des Vergleichs möglich.

Der Vergleich verstößt nach Auffassung des BAG aber weder gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGBExterner Link) noch gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGBExterner Link). Er stelle auch keine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGBExterner Link dar. Es entspräche den zugrunde liegenden Interessen, wenn der Arbeitnehmer die Abfindung erst erhält, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist. Bei der fristgemäßen Kündigung musste die Klägerin noch bis Ende Dezember 2009 arbeiten.

Die Klägerin ist durch die Beklagte auch nicht arglistig getäuscht worden. Selbst wenn der Personalleiter von der drohenden Insolvenz gewusst hätte, läge kein arglistiges Verschweigen im Sinne von § 123 Abs. 1 BGBExterner Link vor. Die Klägerin konnte der Berichterstattung der Medien entnehmen, dass ihre Arbeitgeberin Zahlungsschwierigkeiten hatte. Für den Prozessvergleich war es daher auch ohne Bedeutung, ob tatsächlich schon ein Insolvenzantrag vorbereitet worden war.

Die Abteilungsleiterin konnte auch nicht wegen einer Änderung der wesentlichen Geschäftsgrundlage wirksam vom Prozessvergleich zurücktreten. Weil die Zahlungsprobleme bekannt waren, hat sich mit dem Eintritt der Insolvenz lediglich ein bekanntes, bei Abschluss des Vergleichs existierendes Risiko verwirklicht.

BAG, Urteil vom 11.07.2012;Aktenzeichen: 2 AZR 42/11

(Quelle: Rechtsprechungsdatenbank BAG)

Wiedereinstellungskriterien dürfen von Kündigungskriterien abweichen

Bei der Gestaltung eines Wiedereinstellungsanspruchs sind Betriebsparteien nicht dazu verpflichtet, die anspruchsberechtigten Arbeitnehmer nach den gleichen Regeln auszuwählen, wie bei der Sozialauswahl. Eine Bevorzugung älterer Arbeitnehmer stellt zwar eine Altersdiskriminierung dar, die ist jedoch gerechtfertigt.

Die Klägerin war bei der Arbeitgeberin als gewerbliche Arbeitnehmerin beschäftigt. Im Juli 2008 verständigte sich die Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat auf eine Auswahlrichtlinie, einen Interessenausgleich mit Namensliste und einen Sozialplan. Dazu bildeten die Betriebsparteien auch Altersgruppen. Danach sollten mehrere Mitarbeiter – darunter die Klägerin – gekündigt werden.

Nachdem mehrere Mitarbeiter ihr Arbeitsverhältnis auflösten und die Beklagte im März 2009 eine Stellenanzeige aufgab, forderte die Klägerin die Beklagte auf, sie wieder einzustellen. Das Arbeitsgericht Bonn hat einen Anspruch der Klägerin auf Wiedereinstellung abgelehnt. Auch die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Köln blieb ohne Erfolg.

Für den von der Klägerin geltend gemachten Wiedereinstellungsanspruch besteht keine Anspruchsgrundlage. Der Sozialplan begründet keine Verpflichtung der Beklagten zur Wiedereinstellung. Die Vorschrift sieht lediglich eine entsprechende Berechtigung der Beklagten vor. § 2.3 des Interessenausgleiches begründet zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Wiedereinstellung. Die Klägerin kann sich jedoch auf diese Anspruchsgrundlage nicht berufen, weil die Zahl der auf der Namensliste aufgeführten Mitarbeiter, die älter als die Klägerin sind, größer ist, als die Zahl der Arbeitnehmer, die einvernehmlich ausgeschieden sind.

Die Regelung in § 2.3 des Interessenausgleiches ist auch wirksam. Es besteht keine rechtliche Verpflichtung der Betriebsparteien, bei der Bestimmung der anspruchsberechtigten Arbeitnehmer nach den gleichen Kriterien vorzugehen, wie bei der sozialen Auswahl. Die Bestimmung führt auch nicht zu einer unzulässigen Altersdiskriminierung. Sie enthält zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters; diese erweist sich jedoch als gerechtfertigt.

Selbst wenn entgegen der vom Gericht vertretenen Auffassung von einer unzulässigen Benachteiligung wegen des Alters auszugehen wäre, ergäbe sich daraus für die Klägerin kein Wiedereinstellungsanspruch. In diesem Fall wäre § 2.3 des Interessenausgleiches gemäß § 139 BGB nichtig. Rechtsfolge wäre nicht, dass die im Interessenausgleich zur sozialen Auswahl vorgesehene Altersgruppenregelung zur Anwendung käme. Heranzuziehen wären mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung vielmehr die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Auswahlentscheidung beim Wiedereinstellungsanspruch. Nach diesen Kriterien hätte der Klägerin schon deswegen die Wiedereinstellung nicht angeboten werden müssen, weil sie selbst dann, wenn auf die strengeren Kriterien des § 1 Abs. 3 KSchG abgestellt wird, nicht zum Zuge käme. Die Klägerin kann sich schließlich nicht auf die im März 2009 ausgeschriebenen Stellen berufen, weil die Ausschreibung lange nach Ablauf der Kündigungsfrist erfolgt ist.

LAG Köln, Urteil vom 11.05.2012

Aktenzeichen: 5 Sa 1009/10

(Quelle: