Keine Diskriminierung bei Festhalten an unwirksamer Kündigung einer Schwangeren

Wird einer Arbeitnehmerin gekündigt, ohne dass Kenntnis von ihrer Schwangerschaft bei Zugang der Kündigungserklärung besteht, so ist weder die Kündigung selbst noch ein „Festhalten“ an der Kündigung ein Indiz für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts.

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 18.11.2010 das mit einer Mitarbeiterin (spätere Klägerin) bestehende Arbeitsverhältnis fristgemäß in der Probezeit. Binnen einer Woche machte die Klägerin unter Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung geltend, bei Zugang der Kündigung schwanger gewesen zu sein. Sie forderte die Beklagte auf, innerhalb einer weiteren Woche mitzuteilen, dass sie an der Kündigung „nicht festhalte“, damit keine Klage erhoben werden müsse. Dem kam die Beklagte zunächst nicht nach.

Mit der unter dem 08.12.2010 beim ArbG eingegangenen Klage hat sich die Klägerin vor allem gegen die Kündigung gewendet, aber auch „Schadensersatz“ i.H.v. 8.250 EUR wegen Diskriminierung begehrt. Der Betrag entsprach dem dreifachen Monatsverdienst.

Am 22.12.2010 bestätigte der Betriebsarzt sowohl die Schwangerschaft als auch ein zwischenzeitlich ausgesprochenes Beschäftigungsverbot. Mit Schreiben vom 09.02.2011 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin die „Rücknahme“ der Kündigung. Schließlich gab die Beklagte im Kammertermin vor dem ArbG eine Anerkenntnis-Erklärung ab, worauf die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt wurde.

Die weitere Klage auf Zahlung von Entschädigung i.S.d. § 15 II AGG – und nicht von Schadensersatz was im Kammertermin vor dem LAG klargestellt wurde – bzw. einer Entschädigung wegen Benachteiligung aufgrund des Geschlechts blieb in den Instanzen ohne Erfolg.

Auch die zugelassene Revision blieb erfolglos. Nach Auffassung des BAG – so die Pressemitteilung – konnte die Kündigung schon deswegen keine Benachteiligung der Klägerin aufgrund ihres Geschlechts sein, weil die Arbeitgeberin bei der Erklärung der Kündigung keine Information über die Schwangerschaft der Klägerin hatte. Die verlangte Rücknahme der Kündigung sei rechtstechnisch nicht möglich gewesen. Ein Streit darüber, ob die besonderen Anspruchsvoraussetzungen des § 11 MuSchG auf Zahlung von Mutterschutzlohn vorlägen, sei für sich genommen nicht schon deswegen eine Diskriminierung, weil nur Frauen diesen besonderen Anspruch geltend machen könnten.

BAG, Urteil vom 17.10.2013 – 8 AZR 742/12

(Quelle: beck-fachdienst Arbeitsrecht – FD-ArbR 2013, 352221)

Keine diskriminierende Kündigung wegen des Geschlechts bei noch nicht offenbarter Schwangerschaft

Wird einer schwangeren Arbeitnehmerin gekündigt, ohne dass der Arbeitgeber bei Zugang der Kündigungserklärung von ihrer Schwangerschaft wusste, ist weder die Kündigung selbst noch ein «Festhalten» an der Kündigung Indiz für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts. Dies geht aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17.10.2013 hervor.

Die Beklagte als Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis fristgemäß in der Probezeit. Binnen einer Woche machte die Klägerin unter Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung geltend, bei Zugang der Kündigung schwanger gewesen zu sein. Sie forderte die Beklagte auf, innerhalb einer weiteren Woche mitzuteilen, dass sie an der Kündigung «nicht festhalte», damit sie keine Klage erheben müsse. Das erklärte die Beklagte zunächst nicht. Nachdem der Betriebsarzt einen Monat später sowohl die Schwangerschaft als auch ein zwischenzeitlich ausgesprochenes Beschäftigungsverbot bestätigt hatte, erklärte die Beklagte nach Wochen eine «Rücknahme» der Kündigung. Die Klägerin lehnte in der Folgezeit jedoch eine außergerichtliche Einigung ab. Schließlich gab die Beklagte vor dem Arbeitsgericht eine Anerkenntnis-Erklärung ab, worauf die Unwirksamkeit ihrer Kündigung festgestellt wurde.

Wie schon in den Vorinstanzen blieb die Klage auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern wegen Benachteiligung aufgrund des Geschlechts vor dem BAG ohne Erfolg. Die verlangte Rücknahme der Kündigung sei rechtstechnisch nicht möglich gewesen, über die Notwendigkeit einer einvernehmlichen Verständigung der Parteien hätte sich die Klägerin nicht hinreichend informiert gezeigt, so das BAG. Ein Streit darüber, ob die besonderen Anspruchsvoraussetzungen des § 11 MuSchG auf Zahlung von Mutterschutzlohn vorliegen, sei für sich genommen nicht schon deswegen eine Diskriminierung, weil nur Frauen diesen besonderen Anspruch geltend machen könnten.

BAG, Urteil vom 17.10.2013 – 8 AZR 742/12

(Quelle:Beck online)

BAG verneint Auskunftsanspruch einer abgelehnten Stellenbewerberin über Stellenbesetzung

Ein abgelehnter Stellenbewerber hat gegen den Arbeitgeber keinen Anspruch auf Auskunft, ob dieser einen anderen Bewerber eingestellt hat. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in Fall einer abgelehnten Stellenbewerberin entschieden, die sich diskriminiert gesehen und deswegen eine Entschädigung nach dem AGG geltend gemacht hatte.

Die 1961 in der Russischen SSR geborene Klägerin hatte sich 2006 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle eines/einer Softwareentwicklers/-in erfolglos beworben. Die Beklagte teilte ihr nicht mit, ob sie einen anderen Bewerber eingestellt hatte und gegebenenfalls, welche Kriterien für diese Entscheidung maßgeblich gewesen waren. Die Klägerin behauptet, sie habe die Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle erfüllt und sei lediglich wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer Herkunft nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und damit unter Verstoß gegen das AGG diskriminiert worden. Sie hat von der Beklagten eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Einen Anspruch der Klägerin auf Auskunft gegen die Beklagte, ob diese einen anderen Bewerber eingestellt hat und gegebenenfalls aufgrund welcher Kriterien, sah das BAG nach nationalem Recht nicht. Auf seine Vorlage (NZA 2010, 1006) an den Europäischen Gerichtshof hatte dieser entschieden, dass sich ein solcher Auskunftsanspruch auch nicht aufgrund des Gemeinschaftsrechts ergibt, die Verweigerung jedes Zugangs zu Informationen durch einen Arbeitgeber jedoch unter Umständen einen Gesichtspunkt darstellen kann, welcher beim Nachweis der Tatsachen heranzuziehen ist, die eine Diskriminierung vermuten lassen.

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung des EuGH hat das BAG die Entschädigungsklage abgewiesen. Die Klägerin habe zwar auf ihr Geschlecht, ihr Alter und ihre Herkunft hingewiesen, jedoch keine ausreichenden Indizien dargelegt, welche eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen und die nach § 22 AGG zu einer Beweislast der Beklagten dafür führen würden, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat. Auch die Verweigerung jeglicher Auskunft durch die Beklagte habe im Streitfall nicht die Vermutung einer unzulässigen Benachteiligung der Klägerin im Sinne des § 7 AGG begründet.

zu BAG, Urteil vom 25.04.2013 – 8 AZR 287/08

(Quelle: Beck online)

Einschränkung mit sich bringende Krankheit kann lt. EuGH Behinderung gleichzustellen sein

Die Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG verpflichtet den Arbeitgeber, geeignete und angemessene Vorkehrungsmaßnahmen zu ergreifen, insbesondere um Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufs und den beruflichen Aufstieg zu ermöglichen. In seinem Urteil vom 11.04.2013 hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass eine heilbare oder unheilbare Krankheit, die eine physische, geistige oder psychische Einschränkung mit sich bringt, einer Behinderung gleichzustellen sein kann. Auf die Verwendung besonderer Hilfsmittel komme es für Feststellung einer Behinderung nicht an.

Die Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (2000/78/EG) schafft einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung unter anderem wegen einer Behinderung. Diese Richtlinie wurde mit den dänischen Rechtsvorschriften über das Verbot der Ungleichbehandlung auf dem Arbeitsmarkt umgesetzt. Außerdem sieht das dänische Arbeitsrecht vor, dass ein Arbeitgeber den Arbeitsvertrag mit einer «verkürzten Kündigungsfrist» von einem Monat beenden kann, wenn der betreffende Arbeitnehmer innerhalb der letzten zwölf Monate krankheitsbedingt 120 Tage mit Entgeltfortzahlung abwesend war.

Im vorliegenden Fall hat HK Danmark, eine dänische Gewerkschaft, zwei Schadenersatzklagen im Namen zweier Arbeitnehmerinnen wegen deren Entlassung mit verkürzter Kündigungsfrist erhoben. HK Danmark macht geltend, dass die Arbeitgeber den beiden Arbeitnehmerinnen eine Arbeitszeitverkürzung hätten anbieten müssen, da bei ihnen eine Behinderung vorgelegen habe. Auch sei die nationale Bestimmung über die verkürzte Kündigungsfrist auf diese beiden Arbeitnehmerinnen nicht anwendbar, da ihre krankheitsbedingten Fehlzeiten auf die Behinderung zurückzuführen seien.

Das See- und Handelsgericht, Dänemark, bei dem diese beiden Rechtssachen anhängig sind, hat den EuGH um Erläuterung des Begriffs der Behinderung ersucht. Es möchte auch wissen, ob die Arbeitszeitverkürzung als eine angemessene Vorkehrungsmaßnahme angesehen werden kann und ob das dänische Gesetz über die verkürzte Kündigungsfrist gegen das Unionsrecht verstößt.

Der EuGH stellt zunächst klar, dass der Begriff «Behinderung» dahin auszulegen ist, dass er einen Zustand einschließt, der durch eine ärztlich diagnostizierte heilbare oder unheilbare Krankheit verursacht wird, wenn diese Krankheit eine Einschränkung mit sich bringt, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können, und wenn diese Einschränkung von langer Dauer ist. Der Gerichtshof führt aus, dass der Begriff «Behinderung», anders als die Arbeitgeber in diesen beiden Rechtssachen geltend machen, nicht unbedingt den vollständigen Ausschluss von der Arbeit oder vom Berufsleben impliziert. Ferner hänge die Feststellung des Vorliegens einer Behinderung nicht von der Art der zu treffenden Vorkehrungsmaßnahmen, wie zum Beispiel der Verwendung besonderer Hilfsmittel, ab. Es sei Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob bei den Arbeitnehmerinnen im vorliegenden Fall Behinderungen vorlagen.

Der EuGH weist sodann darauf hin, dass die Richtlinie den Arbeitgeber verpflichtet, geeignete und angemessene Vorkehrungsmaßnahmen zu ergreifen, insbesondere um Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufs und den beruflichen Aufstieg zu ermöglichen. Er stellt fest, dass eine Arbeitszeitverkürzung, selbst wenn sie nicht unter den in der Richtlinie ausdrücklich erwähnten Begriff des «Arbeitsrhythmus» falle, in Fällen, in denen sie es dem Arbeitnehmer ermöglicht, seine Arbeit weiter auszuüben, als eine geeignete Vorkehrungsmaßnahme angesehen werden kann. Es sei jedoch Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob die Verkürzung der Arbeitszeit als Vorkehrungsmaßnahme im vorliegenden Fall eine unverhältnismäßige Belastung der Arbeitgeber darstellt.

Der EuGH stellt weiter fest, dass die Richtlinie einer nationalen Bestimmung, nach der ein Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag mit einer verkürzten Kündigungsfrist beenden kann, wenn der behinderte Arbeitnehmer innerhalb der letzten zwölf Monate krankheitsbedingt 120 Tage mit Entgeltfortzahlung abwesend war, entgegensteht, wenn diese Fehlzeiten darauf zurückzuführen sind, dass der Arbeitgeber nicht die geeigneten und angemessenen Vorkehrungsmaßnahmen ergriffen hat, damit die behinderte Person arbeiten kann.

Schließlich äußert sich der EuGH zu der Frage, ob die nationale Bestimmung über die verkürzte Kündigungsfrist zu einer Diskriminierung von Menschen mit Behinderung führen kann. Er führt aus, dass die nationale Bestimmung in gleicher Weise auf behinderte und nichtbehinderte Menschen anwendbar ist, die krankheitsbedingt mehr als 120 Tage abwesend sind. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass sie eine unmittelbar auf der Behinderung beruhende Ungleichbehandlung schafft. Allerdings sei ein behinderter Arbeitnehmer einem höheren Risiko ausgesetzt, dass ihm gegenüber die verkürzte Kündigungsfrist angewandt wird, als ein nicht behinderter Arbeitnehmer. Denn er trage ein zusätzliches Risiko, an einer mit seiner Behinderung zusammenhängenden Krankheit zu erkranken. Diese Bestimmung könne demnach behinderte Arbeitnehmer benachteiligen und so zu einer mittelbar auf der Behinderung beruhenden Ungleichbehandlung führen.

Der Gerichtshof antwortet, dass die Richtlinie einer solchen nationalen Bestimmung entgegensteht, es sei denn, die Bestimmung verfolge ein rechtmäßiges Ziel und gehe nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinaus. Dies zu prüfen sei Sache des nationalen Gerichts ist. Dieses müsse unter Berücksichtigung des Wertungsspielraums, der den Mitgliedstaaten im Bereich der Sozial- und Beschäftigungspolitik zukommt, prüfen, ob der dänische Gesetzgeber es bei der Verfolgung der rechtmäßigen Ziele, die Einstellung kranker Personen einerseits und ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den widerstreitenden Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers andererseits zu fördern, unterlassen hat, relevante Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die insbesondere Arbeitnehmer mit Behinderung betreffen.

EuGH, Urteil vom 11.04.2013 – C-335/11; C-337/11

(Quelle: beck online)

Betriebsvereinbarung über Altersgrenze zum Renteneintritt ist nicht diskriminierend

Altersgrenzen in Betriebsvereinbarungen, nach denen das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Kalendermonats endet, in dem der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht, sind nicht diskriminierend und daher wirksam. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 05.03.2013 entschieden.

Der im Jahr 1942 geborene Kläger war seit 1980 bei der Beklagten beschäftigt. Nach der von beiden Parteien unterzeichneten «Einstellungsmitteilung» war das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit geschlossen. Eine bei der Beklagten bestehende Gesamtbetriebsvereinbarung aus dem Jahr 1976 sah die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen des 65. Lebensjahrs vor. Dieses vollendete der Kläger im August 2007. Mit seiner Klage hat er sich gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gewandt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers vor dem BAG blieb erfolglos. Dem Gericht zufolge können der Gesamtbetriebsrat und der Arbeitgeber in einer freiwilligen Gesamtbetriebsvereinbarung eine Altersgrenze für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen regeln. Zwar hätten sie die Grundsätze von Recht und Billigkeit (§ 75 Abs. 1 BetrVG) zu beachten. Diese seien aber gewahrt, wenn die Altersgrenze an den Zeitpunkt anknüpft, zu dem der Arbeitnehmer die Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen kann. Eine solche Regelung verstoße nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung. Die Vereinbarung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses sei auch keine die Altersgrenzenregelung der Gesamtbetriebsvereinbarung verdrängende einzelvertragliche Abmachung.

BAG, Urteil vom 05.03.2013 – 1 AZR 417/12

(Quelle: Beck online)

Ablehnung eines 36-Jährigen für Traineeprogramm kann altersbedingte Diskriminierung sein

Sucht ein öffentlicher Arbeitgeber in einer an «Berufsanfänger» gerichteten Stellenanzeige für ein Traineeprogramm «Hochschulabsolventen/Young Professionells» und lehnt er einen 36-jährigen Bewerber mit Berufserfahrung bei einer Rechtschutzversicherung und als Rechtsanwalt ab, so ist dies ein Indiz für eine Benachteiligung dieses Bewerbers wegen seines Alters. Laut Bundesarbeitsgericht trägt der Arbeitgeber dann die Beweislast dafür, dass ein solcher Verstoß nicht vorgelegen hat. Die Beklagte – eine öffentlich-rechtliche Krankenhausträgerin – hatte Zeitungsinserate aufgegeben, in denen es unter anderem heißt: «Die C. hat in den kommenden Jahren einen relevanten Bedarf an Nachwuchsführungskräften. Um diesen abzudecken, gibt es ein spezielles Programm für Hochschulabsolventen/Young Professionells: Traineeprogramm an der C. Dabei sollen jährlich zunächst zwei Hochschulabsolventen rekrutiert und dem Programm C zugeführt werden. Da es sich per definitionem um Berufsanfänger handelt, stehen neben den erworbenen Fähigkeiten vor allem die persönlichen Eigenschaften im Mittelpunkt.» Der damals 36-jährige Kläger, ein Volljurist mit mehrjähriger Berufserfahrung, erhielt auf seine Bewerbung eine Absage. Dies sah er als eine Benachteiligung wegen seines Alters an und verlangte von der Beklagten eine Entschädigung. Die Beklagte bestritt eine solche Diskriminierung und machte geltend, sie habe eine Auswahl nach den Examensnoten getroffen und nur diejenigen Bewerber in Betracht gezogen, die Examensnoten von gut oder sehr gut aufgewiesen hätten. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem BAG teilweise Erfolg. Die Stellenausschreibung, die sich an Hochschulabsolventen/Young Professionells und an Berufsanfänger richte, begründe ein Indiz für eine Benachteiligung des abgelehnten Klägers wegen dessen Alters. Dieses Indiz könnte die Beklagte allerdings widerlegen, wenn sie nur die Bewerber mit den besten Examensnoten in die Bewerberauswahl einbezogen hätte, weil sie als öffentliche Arbeitgeberin gemäß Art. 33 Abs. 2 GG Stellen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Bewerber zu besetzen hatte. Da der Kläger eine solche Bewerberauswahl durch die Beklagte bestritten hatte, war die Sache zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, befand das BAG.

BAG, Urteil vom 24.01.2013, Az.: 8 AZR 429/11

(Quelle: Beck online)

BAG verneint Altersdiskriminierung durch Stichtagsregelung für Jahressonderzahlung

Eine tarifliche Regelung, wonach der Anspruch auf eine Sonderzahlung vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 01.12. des Jahres abhängt, benachteiligt Arbeitnehmer, die vor diesem Stichtag wegen Erreichens des gesetzlichen Rentenalters aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, nicht unzulässig wegen ihres Alters. Das geht aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hervor.

Insbesondere würden dadurch ältere Arbeitnehmer nicht entgegen den Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) wegen ihres Alters in unzulässiger Weise benachteiligt, erklärten die Erfurter Richter. Eine unmittelbare Benachteiligung liege nicht vor, da der Anspruch auf die Sonderzahlung nicht vom Alter des Beschäftigten abhänge. Es seien auch keine Anhaltspunkte erkennbar, dass ältere Arbeitnehmer überproportional von der Regelung betroffen seien, also eine mittelbare Diskriminierung vorliege. Denn auch andere Beschäftigte, die beispielsweise wegen des Ablaufs eines befristeten Arbeitsvertrags, wegen einer Eigenkündigung oder einer arbeitgeberseitigen Kündigung vor dem 01.12. ausscheiden, hätten unabhängig von ihrem Alter keinen Anspruch auf die Sonderzahlung.

Gemäß § 20 TVöD haben Beschäftigte, die am 01.12. in einem Arbeitsverhältnis stehen, Anspruch auf eine Jahressonderzahlung, deren Höhe zwischen 60% und 90% des durchschnittlichen Monatsentgelts beträgt. Der Kläger war seit 1968 bei der beklagten Stadt beschäftigt. Zum 31.10.2009 ist er aufgrund Erreichens des gesetzlichen Rentenalters aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Eine Sonderzahlung hat die Arbeitgeberin für das Jahr 2009 an ihn nicht geleistet. Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm stehe die Sonderzahlung trotz seines Ausscheidens vor dem 1. Dezember zu. Die tarifliche Regelung diskriminiere ihn wegen seines Alters. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Der Zehnte BAG-Senat bestätigte die Sichtweise der Vorinstanzen, dass die Regelung in § 20 TVöD, wonach Voraussetzung für den Anspruch auf eine Sonderzahlung das Bestehen des Arbeitsverhältnisses am 01.12. des Jahres ist, rechtswirksam sei.

BAG, Urteil vom 12.12.2012 – 10 AZR 718/11

(Quelle: Beck online)

Frage an Stellenbewerber nach eingestellten Ermittlungsverfahren ist unzulässig

Der Arbeitgeber darf den Stellenbewerber grundsätzlich nicht nach eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren fragen. Stellt der Arbeitgeber die Frage dennoch und verneint der Bewerber wahrheitswidrig, ist dies kein späterer Kündigungsgrund. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 15.11.2012 entschieden.

Der 1961 geborene Kläger bewarb sich als sogenannter Seiteneinsteiger im Sommer 2009 als Lehrer an einer Hauptschule in Nordrhein-Westfalen. Vor seiner Einstellung wurde er aufgefordert, auf einem Vordruck zu erklären, ob er vorbestraft sei, und zu versichern, dass gegen ihn kein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft anhängig sei oder innerhalb der letzten drei Jahre anhängig gewesen sei. Der Kläger unterzeichnete den Vordruck, ohne Angaben zu etwaigen Ermittlungsverfahren zu machen. Er wurde zum 15.09.2009 eingestellt. Im Oktober 2009 erhielt die zuständige Bezirksregierung einen anonymen Hinweis, der sie veranlasste, die Staatsanwaltschaft um Mitteilung strafrechtsrelevanter Vorfälle zu bitten. Die daraufhin übersandte Vorgangsliste wies mehrere nach §§ 153 ff. StPO eingestellte Ermittlungsverfahren aus. Das beklagte Land kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich, weil der Kläger die Frage nach Ermittlungsverfahren unrichtig beantwortet habe.

Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Bereits eingestellte Ermittlungsverfahren habe er nicht angeben müssen. Das Arbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung, das Landesarbeitsgericht (BeckRS 2011, 72485) auch die ordentliche Kündigung als unwirksam angesehen. Die hiergegen eingelegte Revision des beklagten Landes blieb vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg.

Eine Erhebung von Daten, wie sie die unspezifizierte Frage nach Ermittlungsverfahren darstellt, sei nach den datenschutzrechtlichen Bestimmungen in Nordrhein-Westfalen nur zulässig, wenn sie durch eine Rechtsvorschrift erlaubt ist oder der Betroffene einwilligt, so das BAG. Solche Informationen zu abgeschlossenen Ermittlungsverfahren seien für die Bewerbung um eine Stelle als Lehrer nicht erforderlich und damit nicht durch § 29 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen gestattet.

Weiterhin verstoße die Frage gegen die Wertentscheidungen des § 53 Bundeszentralregistergesetz (BZRG). Die allein auf die wahrheitswidrige Beantwortung der Frage nach Ermittlungsverfahren gestützte Kündigung verstieß deshalb gegen die objektive Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie im Recht auf informationelle Selbstbestimmung, bei dem es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) handelt, zum Ausdruck kommt. Verneine der Bewerber wahrheitswidrig, mache er von seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung Gebrauch. Die Kündigung sei deshalb gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam.

BAG, Urteil vom 15.11.2012 – 6 AZR 339/11

(Quelle: Beck online)

Entschädigungsanspruch nach § 15 II AGG setzt keine tatsächliche Besetzung der Stelle voraus

Wird eine Stelle nur für Mitarbeiter eines bestimmten Alters ausgeschrieben, ist eine Entschädigung nach dem AGG nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil die Stelle nicht besetzt wird.

Die Beklagte suchte im Juni 2009 mittels Stellenausschreibung „zwei freiberufliche Mitarbeiter … zwischen 25 und 35 Jahren“. Der 1956 geborene Kläger bewarb sich auf diese Ausschreibung, wurde jedoch nicht zu einem Vorstellungsgespräch geladen. Obwohl die Beklagte mit anderen Bewerbern Vorstellungsgespräche führte, sah sie letztlich von einer Einstellung neuer Mitarbeiter ab. Der Kläger hat mit seiner Klage eine Entschädigung in Höhe von gut 26.000 EUR verlangt und geltend gemacht, wegen seines Alters diskriminiert worden zu sein.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Das ArbG stellte dabei auf die fehlende objektive Eignung des Klägers für die ausgeschriebenen Stellen ab. Das LAG ließ diese Frage dahinstehen und lehnte einen Entschädigungsanspruch des Klägers schon deswegen ab, weil die Stellen tatsächlich nicht besetzt wurden.

Das BAG folgte diesem Ansatz nicht. Es bestätigte zwar erneut seine Rechtsprechung, wonach die objektive Eignung des abgelehnten Bewerbers Voraussetzung für einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 II AGG ist. Nicht erforderlich sei jedoch, dass die ausgeschriebene Stelle auch tatsächlich besetzt werde. Da das LAG keine Feststellungen dazu getroffen hatte, ob der Kläger für die ausgeschriebenen Stellen objektiv geeignet war und ob seine Einstellung wegen seines Alters unterblieben war, wies der Senat die Sache an das LAG zurück.

Die – bislang nur als Pressemitteilung vorliegende – Entscheidung des BAG belegt zum einen, dass trotz zahlreicher AGG-Klagen noch viele Probleme des Entschädigungsanspruchs ungeklärt sind und zeigt, dass es in der Praxis immer wieder Ausschreibungen gibt, die nicht den Anforderungen des AGG genügen.

BAG, Urteil vom 23.08.2012 – 8 AZR 285/11

(Quelle: beck-fachdienst Arbeitsrecht – FD-ArbR 2012, 336566)

Angebot in „jungem Team“ zu arbeiten, ist nicht diskriminierend

Die Formulierung in einer Stellenausschreibung „wir bieten einen zukunftssicheren Arbeitsplatz in einem jungen motivierten Team“ stellt für sich genommen noch keine Tatsache dar, die eine Benachteilung eines Bewerbers wegen des Alters vermuten lässt.

Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers auf Entschädigung wegen Altersdiskriminierung nach § 15 Abs. 2 AGG.

Die Beklagte betreibt ein Autohaus. Sie suchte über eine Stellenanzeige eine(n) Finanzbuchhalter(in). Die Stellenausschreibung enthielt unter der Überschrift „Stellenausschreibung“ nach dem Anforderungsprofil folgenden Absatz: „Wollen Sie gemeinsam mit uns erfolgreich sein? Unser Autohaus ist Teil einer innovativen, mehrfach im Bereich Kundenzufriedenheit ausgezeichneten Unternehmensgruppe. Wir bieten einen zukunftssicheren Arbeitsplatz in einem jungen und motivierten Team“.

Der im Jahr 1952 geborene Kläger ist Diplom-Kaufmann und Bilanzbuchhalter. Nachdem er sich erfolglos auf die Stelle beworben hatte, forderte er Entschädigung sowie Schadensersatz von der Beklagten. Zur Begründung bezog er sich auf die Stellenausschreibung, welche ausdrücklich einen Arbeitsplatz in einem „jungen Team“ anbiete und damit eine Selbstdarstellung enthalte, welche ältere Bewerber wie ihn faktisch ausschließe.

Die Beklagte meint, die Stellenausschreibung habe keine Diskriminierung enthalten. Die Formulierung „junges Team“ habe lediglich einen „Marketingaspekt“ dargestellt. Die Bewerbung habe ausschließlich deshalb keinen Erfolg gehabt, weil sie keinerlei Bezug zu dem angebotenen Arbeitsplatz und keine inhaltliche Struktur aufgewiesen habe.

Das LAG Nürnberg ist der Argumentation der Beklagten gefolgt.

Zwar liegt unzweifelhaft ein Verstoß gegen eine diskriminierungsfreie Stellenausschreibung i.S.v. § 11 AGG vor, wenn in einer Stellenanzeige „junge“ Bewerber gesucht werden, und damit das Alter als Einstellungsvoraussetzung genannt ist. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Denn das Adjektiv „jung“ bezieht sich nicht auf eine Eigenschaft des Bewerbers, sondern beschreibt die momentane Struktur der Belegschaft des Arbeitgebers.

Selbst wenn man aber in der Verwendung der Worte „junges Team“ isoliert betrachtet ein Indiz für die mögliche Benachteiligung des Klägers wegen des Alters sähe, so ist diese Indizwirkung jedenfalls durch das eigene Bewerbungsschreiben des Klägers wieder entkräftet. Dieses ist in Bezug auf den Kläger völlig nichtssagend formuliert. Der Arbeitgeber muss sich die Anlagen ohne „roten Faden“ erarbeiten. Schon deshalb erscheint die Bewerbung unstrukturiert, was in einem gewissen Widerspruch zur ausgeschriebenen Stelle eines Bilanzbuchhalters steht. Dass der Kläger zu strukturiertem Arbeiten, in der Lage ist, wird durch das Bewerbungsschreiben jedenfalls nicht vermittelt.

LAG Nürnberg, Urteil vom 16.05.2012

(Quelle: LAG Nürnberg-online)