Altersdiskriminierung kann auch unabhängig von tatsächlicher Besetzung der Stelle vorliegen

Enthält eine Stellenausschreibung den Hinweis, dass Mitarbeiter eines bestimmten Alters gesucht werden, so scheitert der Anspruch eines nicht eingestellten älteren Bewerbers auf eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nicht allein daran, dass der Arbeitgeber keinen anderen neuen Mitarbeiter eingestellt hat. Dies hat das Bundesarbeitsgerichts mit Urteil vom 23.08.2012 entschieden.

Die Beklagte hatte im Juni 2009 mittels einer Stellenausschreibung zwei Mitarbeiter im Alter zwischen 25 und 35 Jahren gesucht. Der 1956 geborene Kläger bewarb sich auf eine der Stellen, wurde aber nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Obwohl solche durchgeführt worden waren, stellte die Beklagte keinen anderen Bewerber ein. Der Kläger macht geltend, er sei wegen seines Alters unzulässig benachteiligt worden und verlangt von der Beklagten eine Entschädigung nach dem AGG. Die Vorinstanzen haben seine Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers hatte jetzt vor dem Achten Senat des BAG Erfolg. Das Landesarbeitsgericht habe die Entschädigungsklage nicht allein mit der Begründung abweisen dürfen, ein Verstoß der Beklagten gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG scheide aus, weil sie keinen anderen Bewerber eingestellt habe. Der Senat hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen. Dies wird bei seiner Entscheidung über das Bestehen des geltend gemachten Entschädigungsanspruchs unter anderem zu prüfen haben, ob der Kläger für die ausgeschriebene Stelle objektiv geeignet war und ob eine Einstellung wegen seines Alters unterblieben ist.

BAG, Urteil vom 23.08.2012 – 8 AZR 285/11

(Quelle: Beck online)

Erteilte Falschauskunft als Grund für eine Bewerberabsage kann Indiz für Diskriminierung sein

Begründet ein Arbeitgeber eine Maßnahme gegenüber dem Arbeitnehmer, so muss diese Begründung zutreffen. Ist sie dagegen nachweislich falsch oder steht sie im Widerspruch zum Verhalten des Arbeitgebers, so kann dies laut Bundesarbeitsgericht ein Indiz für eine Diskriminierung sein.

Die türkischstämmige Klägerin wurde von der Beklagten, einem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, zunächst befristet für die Zeit vom 01.02.2008 bis 31.12.2008 als Sachbearbeiterin eingestellt. Im Oktober 2008 fand ein Personalgespräch statt, in dem es auch um Arbeitsfehler der Klägerin ging. Im November 2008 wurde die Verlängerung der befristeten Beschäftigung für die Zeit vom 01.01.2009 bis zum 31.01.2010 vereinbart. Im September 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Verlängerung oder Entfristung des Arbeitsverhältnisses ab dem 01.02.2010 nicht erfolgen werde.

Die Klägerin machte, auch mit Hinweis auf den geringen Anteil von Beschäftigten nichtdeutscher Herkunft, eine Diskriminierung wegen ihrer ethnischen Herkunft geltend. Dies verneinte die Beklagte, weitere Begründungen lehnte sie ab. Am 31.01.2010 erstellte die Beklagte ein Arbeitszeugnis mit der Leistungsbeurteilung «zu unserer vollsten Zufriedenheit». Gegen die von der Klägerin angestrengte Klage auf Entschädigung wegen ethnischer Diskriminierung verteidigte sich die Beklagte mit dem Argument, die Entfristung sei wegen der nicht genügenden Arbeitsleistung der Klägerin abgelehnt worden.

Anders als das Arbeitsgericht hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung von 2.500 Euro und von Schadenersatz verurteilt. Die Revision der Beklagten und die hilfsweise eingelegte Anschlussrevision der Klägerin hatten vor dem BAG Erfolg. Eine Verurteilung der Beklagten könne nicht auf die vom LAG gegebene Begründung gestützt werden.

Das LAG werde aber aufzuklären haben, ob die von der Beklagten erteilten Auskünfte über die Gründe der Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses Indizwirkung für eine Diskriminierung der Klägerin haben, weil diese Auskünfte möglicherweise falsch waren oder im Widerspruch zu dem sonstigen Verhalten der Beklagten standen. Das LAG müsse dabei prüfen, so das BAG, ob das erteilte Zeugnis falsch war oder die Begründung, eine Entfristung sei wegen der Leistungsmängel der Klägerin nicht möglich gewesen. Auch werde dem Vortrag der Klägerin nachzugehen sein, zuvor sei eine andere, ebenfalls nicht zutreffende Auskunft erteilt worden. Die Klägerin soll zunächst auf einen Wegfall ihres Arbeitsplatzes wegen einer bevorstehenden Fusion hingewiesen worden sein.

Aus Sicht des Arbeitgebers bedeutet diese Entscheidung, dass er auch zukünftig sehr vorsichtig sein muss, mit welcher Begründung er einem Bewerber absagt. Im Ergebnis wird dies bedeuten, dass Arbeitgeber sich hier eher bedeckt halten ode rgänzlich von einer Begründung absehen solten.

BAG, Urteil vom 21.06.2012 – 8 AZR 364/11

Schadensansprüche wegen Diskriminierung im Sinne des AGG bei abgelehnter Bewerbung innerhalb zweier Monate geltend zu machen

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, er sei wegen eines durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbotenen Merkmals nachteilig behandelt worden, so muss er für alle Ansprüche auf Schadenersatz die Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG beachten. Wird eine Bewerbung abgelehnt, so beginnt die Frist in dem Moment, in dem der Bewerber von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Dies hebt das Bundesarbeitsgericht hervor.

Die Beklagte suchte im November 2007 mit einer Stellenanzeige für ihr «junges Team in der City motivierte Mitarbeiter/innen» im Alter von 18 bis 35 Jahren. Die damals 41jährige Klägerin bewarb sich unter Beifügung eines vollständigen tabellarischen Lebenslaufs. Am 19.11.2007 erhielt sie eine telefonische Absage. Die Klägerin erhob am 29.01.2008 beim Arbeitsgericht Hamburg Klage, mit der sie eine Entschädigung sowie Ersatz der Bewerbungs- und Prozesskosten verlangt.

Wie in den Vorinstanzen blieb die Klage auch vor dem BAG ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hatte im Fall der Klägerin bereits den Europäischen Gerichtshof um Entscheidung der Frage gebeten, ob die Frist des § 15 Abs. 4 AGG mit europäischem Recht vereinbar ist. Nach der EuGH-Entscheidung hatte das LAG nach dessen Vorgaben die Bestimmung für wirksam gehalten . Dies hat das BAG nunmehr in Fortsetzung seiner bisherigen Rechtsprechung bestätigt.

Es hat klargestellt, dass auch Schadenersatzansprüche auf anderer Rechtsgrundlage binnen der Frist des § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht werden müssen, wenn sie sich auf einen Sachverhalt beziehen, bei dem eine Diskriminierung wegen der durch das AGG verbotenen Merkmale gerügt wird. Nachdem die Klägerin am 19.11.2007 mit der Ablehnung von der Benachteiligung Kenntnis erlangt hatte, habe ihre am 29.01.2008 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage nicht die Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG gewahrt.

BAG, Urteil vom 21.06.2012 – 8 AZR 188/11

Firmen müssen Absage einem Bewerber gegenüber nicht begründen

Abgelehnte Bewerber haben auch künftig keinen Anspruch darauf, von einem Unternehmen zu erfahren, wer den Job bekommen hat oder ob er überhaupt vergeben wurde. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gibt es aber Ausnahmen, wenn der Verdacht der Diskriminierung besteht. Diese bleiben auch nach der Entscheidung unklar definiert.

Hintergrund der Entscheidung ist die Beschwerde einer Bewerberin, die sich wiederholt erfolglos auf eine Stelle in einem Unternehmen in Bayern beworben hatte. Die Ingenieurin fühlte sich aufgrund ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer russischen Herkunft diskriminiert.

Sie klagte nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, welches im Fall von Benachteiligungen einen Anspruch auf Schadenersatz vorsieht. Voraussetzung ist aber, dass der Betroffene Indizien vortragen kann, die eine Diskriminierung vermuten lassen. Gelingt ihm das, muss der Arbeitgeber nachweisen, dass keine Diskriminierung stattgefunden hat.

Weder das Arbeits- noch das Landesarbeitsgericht vermochten Hinweise zu erkennen, die eine Diskriminierung nahelegen. Dass die gebürtige Russin trotz ihrer Qualifikation nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden war, genügte nach Ansicht der Richter jedenfalls nicht. Auch müsse der Arbeitgeber ihr nicht mitteilen, wen er stattdessen eingestellt habe und warum. Der Fall landete beim Bundesarbeitsgericht; das wiederum legte ihn dem EuGH in Luxemburg vor. Der Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg urteilte nun, dass abgelehnte Bewerber auch künftig keinen Anspruch auf Auskunft darüber haben, ob der Arbeitgeber am Ende des Einstellungsverfahrens einen anderen Bewerber eingestellt hat. Dennoch könne die Weigerung des Arbeitgebers „ein Gesichtspunkt sein, der im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, heranzuziehen ist“ teilte die Zweite Kammer des Luxemburger Gerichts.  Im konkreten Fall muss dieser Vorwurf nun vom Bundesarbeitsgericht Erfurt geklärt werden. Die Frage, ob der Bewerber das Recht habe, die Gründe für die Ablehnung beim Unternehmen zu erfragen, wurde nicht explizit geklärt.

Bundesgerichtshof wendet erstmals Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz auf GmbH-Geschäftsführer an

Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein auf eine bestimmte Dauer bestellter Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der nach Ablauf seines Vertrages nicht als Geschäftsführer weiterbeschäftigt wird, in den Schutzbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) fällt.

Der Kläger war bis zum Ablauf seiner Amtszeit am 31.08.2009 der medizinische Geschäftsführer der beklagten Kliniken der Stadt Köln, einer GmbH. Die Anteile an dieser Gesellschaft werden von der Stadt Köln gehalten. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft hat über den Abschluss, die Aufhebung und die Änderung des Dienstvertrags der Geschäftsführer zu entscheiden. In dem mit einer Laufzeit von fünf Jahren abgeschlossenen Dienstvertrag des Klägers war vereinbart, dass die Vertragsparteien spätestens 12 Monate vor Vertragsablauf mitteilten, ob sie zu einer Verlängerung des Vertragsverhältnisses bereit waren. Der Aufsichtsrat der Beklagten beschloss im Oktober 2008, das Anstellungsverhältnis mit dem im Zeitpunkt der (regulären) Vertragsbeendigung 62 Jahre alten Kläger nicht über den 31.08.2009 hinaus fortzusetzen. Die Stelle des medizinischen Geschäftsführers wurde vielmehr mit einem 41-jährigen Mitbewerber besetzt.

Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm der Neuabschluss seines Dienstvertrags sowie die weitere Bestellung als Geschäftsführer nur aus Altersgründen versagt worden seien und dass diese Entscheidung gegen das Altersdiskriminierungsverbot des am 18.08.2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes verstoße. Er hat mit dieser Begründung Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens verlangt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr im Wesentlichen stattgegeben, statt des beantragten Ersatzes des immateriellen Schadens in Höhe von 110.000 Euro jedoch nur 36.600 Euro zugesprochen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Revision eingelegt.

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Berufungsgerichts, der Kläger sei in unzulässiger Weise wegen seines Alters benachteiligt worden, bestätigt.

Nach § 6 Abs. 3 AGG findet das Gesetz Anwendung auf Geschäftsführer einer GmbH, soweit es um den Zugang zu dem Geschäftsführeramt und um den beruflichen Aufstieg geht. In dem Beschluss, den Kläger nach dem Auslaufen seiner Bestellung nicht weiter als Geschäftsführer zu beschäftigen, hat der Senat eine Entscheidung über den Zugang zu dem Amt gesehen.

Weiter hat er die Beweislastregel des § 22 AGG angewendet. Danach muss der Bewerber nur Indizien beweisen, aus denen sich eine Diskriminierung ergibt. Das Unternehmen hat dann zu beweisen, dass der Bewerber nicht wegen seines Alters oder aus anderen unzulässigen Gründen benachteiligt worden ist. Hier hatte der Aufsichtsratsvorsitzende gegenüber der Presse erklärt, dass der Kläger wegen seines Alters nicht weiterbeschäftigt worden sei. Man habe wegen des „Umbruchs auf dem Gesundheitsmarkt“ einen Bewerber gewählt, der das Unternehmen „langfristig in den Wind stellen“ könne. Das hat der Senat als ausreichend für die Beweislastumkehr nach § 22 AGG angesehen. Die Beklagte hat den damit ihr obliegenden Gegenbeweis nicht geführt.

Der Senat hat weiter ausgeführt, dass die Diskriminierung des Klägers wegen seines Alters nicht aus den im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vorgesehenen Gründen gerechtfertigt war.

Damit hat der Kläger Anspruch auf Ersatz seines Vermögensschadens und auf Entschädigung wegen seines immateriellen Schadens. Aufgrund von Fehlern bei der Feststellung dieses Schadens hat der Senat das angefochtene Urteil teilweise aufgehoben und die Sache insoweit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

BGH, Urteil vom 23. April 2012 – II ZR 163/10

Frage nach der Schwerbehinderung ist im bestehenden Arbeitsverhältnis zulässig

Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist jedenfalls nach sechs Monaten, also nach dem Erwerb des Sonderkündigungsschutzes für schwerbehinderte Menschen, die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung zulässig.

Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad von 60. Er stand seit dem 01.11.2007 in einem bis zum 31.10.2009 befristeten Arbeitsverhältnis. Am 08.01.2009 wurde der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Arbeitgeberin bestellt. Während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbat der Beklagte in einem Fragebogen zur Vervollständigung bzw. Überprüfung der ihm vorliegenden Daten u.a. Angaben zum Vorliegen einer Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten. Der Kläger verneinte seine Schwerbehinderung. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigte der Beklagte als Insolvenzverwalter am 26.05.2009 dem Kläger zum 30.06.2009. Der Kläger teilte in der Klageschrift vom 09.06.2009 seine Schwerbehinderung mit. Er machte geltend, die Kündigung vom 26.05.2009 sei unwirksam, weil das Integrationsamt ihr nicht zugestimmt habe. Das ArbG gab der Klage statt. Das LAG wies die Klage ab.

Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des BAG kann sich der Kläger nicht auf den Kündigungsschutz für Schwerbehinderte berufen, weil er die Frage nach der Schwerbehinderung wahrheitswidrig verneint hat. Die Frage nach der Schwerbehinderung im Vorfeld einer vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung stehe im Zusammenhang mit der Pflichtenbindung des Arbeitgebers durch die Anforderungen des § 1 III KSchG, der die Berücksichtigung der Schwerbehinderung bei der Sozialauswahl verlangt, sowie durch den Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX, wonach eine Kündigung der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts bedarf. Sie solle es dem Arbeitgeber ermöglichen, sich rechtstreu zu verhalten. Die Frage diskriminiere behinderte Arbeitnehmer nicht gegenüber solchen ohne Behinderung. Auch datenschutzrechtliche Belange stünden der Zulässigkeit der Frage nicht entgegen. Infolge der wahrheitswidrigen Beantwortung der ihm rechtmäßig gestellten Frage nach seiner Schwerbehinderung sei es dem Kläger unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, sich im Kündigungsschutzprozess auf seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berufen.

Das BAG differenziert zu Recht danach, ob die Frage nach der Schwerbehinderung vor Aufnahme des Arbeitsverhältnisses oder während dessen Bestands gestellt wird. Im bestehenden Arbeitsverhältnis kann es ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers geben, über eine vorliegende Schwerbehinderung wahrheitsgemäß informiert zu werden. In diesem Fall ist eine entsprechende Nachfrage weder unzulässig noch kann sie als Indiz für eine verbotene Benachteiligung bei einer ggf. anschließenden Auswahlentscheidung herangezogen werden.

Für den Umgang mit den Diskriminierungsverboten im Rahmen des Einstellungsverfahrens gilt auch vor dem Hintergrund der vorliegenden Entscheidung die grundsätzliche Empfehlung, dass vor der Einstellungsentscheidung nur solche Fragen gestellt werden sollten, die für die Frage der Begründung des Arbeitsverhältnisses von Bedeutung sind. Alle für diese Entscheidung nicht relevanten Daten – und hierzu zählt auch die Schwerbehinderung – sollten erst nach der Einstellung beim Arbeitnehmer erhoben werden.

BAG, Urteil vom 16.02.2012 – 6 AZR 553/10

Altersabhängige Staffelung der Urlaubsdauer verstößt gegen das Diskriminierungsverbot

Die Differenzierung der Urlaubsdauer nach dem Lebensalter in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD benachteiligt Beschäftigte, die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und verstößt damit gegen das Altersdiskriminierungsverbot. Dies hat das Bundesarbeitsgericht am 20.03.2012 entschieden.

Die beim beklagten Landkreis beschäftigte Klägerin wollte festgestellt haben, dass ihr vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahrs über den tariflich vorgesehenen Urlaub von 29 Arbeitstagen hinaus jeweils ein weiterer Urlaubstag zugestanden hat. Sie ist der Ansicht, die altersabhängige Staffelung der Urlaubsdauer in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstoße gegen das Altersdiskriminierungsverbot. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Das BAG gab der Klägerin in der Revision Recht. Die Differenzierung der Urlaubsdauer nach dem Lebensalter in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD benachteilige Beschäftigte, die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, unmittelbar und verstoße gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters. Die tarifliche Urlaubsstaffelung verfolge nicht das legitime Ziel, einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Menschen Rechnung zu tragen. Es lasse sich kein gesteigertes Erholungsbedürfnis von Beschäftigten bereits ab dem 30. beziehungsweise 40. Lebensjahr begründen. Insofern müsse die Dauer des Urlaubs der wegen ihres Alters diskriminierten Beschäftigten in der Art und Weise nach oben angepasst werden.

BAG, Urteil vom 20.03.2012 – 9 AZR 529/10

Erfüllung der Bekanntmachungspflicht des AGG durch den Arbeitgeber im Intranet und ggü. Bewerbern

Ein Arbeitgeber erfüllt seine Bekanntmachungspflicht gem. § 12 Abs. 5 AGG, wenn er den Text des AGG und des § 61b ArbGG betriebsüblich in das Intranet eingestellt. Er ist darüber hinaus nicht gehalten, abgelehnten externen Bewerbern, die keine Zugriffsmöglichkeit auf das Intranet haben, die Gesetzestexte gesondert zukommen zu lassen.

Das hat das Arbeitsgericht Stuttgart – Kammern Ludwigsburg durch enschieden. Gemäß § 12 Abs. 5 AGG ist der Arbeitgeber verpflichtet, den gesetztestext des AGG sowie Informastionen über die Behandlung von Beschwerden durch geeigneten Aushang oder Auslegung im betrieb bekannt zu machen. Danach reicht es aus, wenn der Arbeitgeber die Bekanntmachung über das Intranet vornimmt.

Ein Bewerber hatte jedoch u.a. auf Schadensersatz geklagt, weil er meinte, diese Voreschrift verpflichte auch den Arbeitgeber, bei einer Absage neben den Bewerbungsunterlagen die entsprechenden Gesetztestexte mitzusenden.

Dies sei aber nicht der Fall, so das ArbG Stuttgart. Adressatenkreis der betrieblichen Bekanntmachungspflicht können nur die bereits betriebsangehörigen Mitarbeiter sein. Nur für diese können auch betriebliche Vorkehrungen getroffen werden.

ArbG Stuttgart, Urteil v. 18.01.2012, 20 Ca 1059/11

Entschädigung für nicht zu Vorstellungsgespräch eingeladenem schwerbehinderten Bewerber

Ein öffentlicher Arbeitgeber hat nach § 82 Satz 2 SGB IX einen schwerbehinderten Menschen, der sich auf eine ausgeschriebene Stelle unter Mitteilung seiner Schwerbehinderteneigenschaft beworben hat, zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, es sei denn, diesem fehlt offensichtlich die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle. Eine unterbliebene Einladung ist nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.02.2012 ein Indiz für die Vermutung, der Bewerber sei wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden.

Der schwerbehinderte Kläger hatte sich bei der Beklagten auf eine Ausschreibung der Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt am Main als «Pförtner/Wächter» beworben. In seiner Bewerbung hatte er auf seinen Grad der Behinderung von 60 hingewiesen. Bei der Beklagten besteht eine Rahmenvereinbarung zur Integration Schwerbehinderter. Nach dieser Integrationsvereinbarung kann von einer Einladung schwerbehinderter Bewerber zum Auswahlverfahren abgesehen werden, wenn zwischen Zentralabteilung, Schwerbehindertenvertretung und Gleichstellungsbeauftragter Einvernehmen besteht, dass der Bewerber für den freien Arbeitsplatz nicht in Betracht kommt. Die Bundespolizeidirektion sah im Einvernehmen mit den zu beteiligenden Stellen von einer Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch ab. Dieser sieht sich durch diese Nichteinladung wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt und verlangt von der Beklagten eine Entschädigung in Höhe von 5.723,28 Euro. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung von 2.700 Euro verurteilt.

Die Revision der Beklagten blieb vor dem Achten Senat des BAG erfolglos. Die Bundespolizeidirektion hätte den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen, weil durch die Integrationsvereinbarung das Recht des schwerbehinderten Bewerbers auf ein Vorstellungsgespräch nicht eingeschränkt werden sollte. Deshalb bestehe die Vermutung, dass der Kläger wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden ist. Diese Vermutung habe die Beklagte nicht durch Tatsachen widerlegt, die keinen Bezug zur Schwerbehinderung des Klägers und zu dessen fachlicher Eignung haben. Nur auf solche hätte sich die Beklagte mit Erfolg berufen können, weil § 82 Satz 3 SGB IX hinsichtlich der Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers zur Einladung schwerbehinderter Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch abschließenden Charakter hat. Die gegen die Höhe der ausgeurteilten Entschädigung gerichtete Revision des Klägers hat der Senat aus formalen Gründen als unzulässig verworfen.

BAG, Urteil vom 16.02.2012 – 8 AZR 697/10

Frage nach Schwerbehinderung kann im bestehenden Arbeitsverhältnis zulässig sein

Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist nach dem Erwerb des Sonderkündigungsschutzes für behinderte Menschen nach sechs Monaten die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung zulässig. Das gilt nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.02.2012 insbesondere zur Vorbereitung von beabsichtigten Kündigungen. Infolge seiner wahrheitswidrigen Beantwortung der ihm rechtmäßig gestellten Frage nach seiner Schwerbehinderung ist es dem Kläger deshalb im entschiedenen Fall unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens verwehrt sich im Kündigungsschutzprozess auf seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berufen.

Die Frage nach der Schwerbehinderung im Vorfeld einer vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung stehe im Zusammenhang mit der Pflichtenbindung des Arbeitgebers durch die Anforderungen des § 1 Abs. 3 KSchG, der die Berücksichtigung der Schwerbehinderung bei der Sozialauswahl verlangt. Relevant sei sie außerdem für den Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX, wonach eine Kündigung der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf. Sie soll es dem Arbeitgeber ermöglichen, sich rechtstreu zu verhalten, erläutert das Gericht. Die Frage diskriminiere darüber hinaus behinderte Arbeitnehmer nicht gegenüber solchen ohne Behinderung. Auch datenschutzrechtliche Belange ständen der Zulässigkeit der Frage nicht entgegen.

BAG, Urteil vom 16.02.2012 – 6 AZR 553/10