Auch minimaler Rechenfehler entfristet das Arbeitsverhältnis

 

Verrechnet sich der Arbeitgeber beim Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages hinsichtlich der Befristungsdauer, so kann er den Vertrag nicht wirksam anfechten. Sobald der Vertrag den Zwei-Jahres-Zeit-Raum nach § 14 Abs. 2 TzBfG auch nur um einen Tag überschreitet, gilt dieser als unbefristet geschlossen.

Die Klägerin wurde von der Beklagten befristet für eine Jahr vom 30.07.2010 bis zum 29.07.2011 eingestellt. Per Änderungsvertrag verlängerten sie das Arbeitsverhältnis dann um den Zeitraum vom 01.07.2011 bis zum 30.07.2012. Als Befristungsgrund ist im Vertrag angegeben: „§ 14 Abs. 2 TzBfG der jeweiligen Fassung“.

Im Mai 2012 machte die Klägerin den unbefristeten Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses geltend, da die Zwei-Jahres-Frist für sachgrundlose Befristungen überschritten sei.

Die Beklagte focht daraufhin das Arbeitsverhältnis an. Es sei über eine zweijährige sachgrundlose Befristung verhandelt worden. Es liege ersichtlich ein Schreibfehler vor. Richtiger Weise hätte es im Anschluss an die Erstbefristung heißen müssen: „30.07.2011 bis 29.07.2012“. Nachdem ersichtlich ein Schreibfehler vorgelegen habe, sei auch ein Erklärungsirrtum gegeben.

Mit dieser Argumentation scheiterte die Arbeitgeberin bereits vor dem Arbeitsgericht Rostock. Dieses hat ausgeführt, dass weder ein Irrtum in der Erklärungshandlung noch ein Irrtum über den Erklärungsinhalt vorläge. Unter den letzteren Irrtum falle ein Kalkulationsirrtum nicht.

Auch das LAG Mecklenburg-Vorpommern entschied zu Gunsten der Frau.

Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt ein sogenannter Inhaltsirrtum nicht vor. Die Arbeitgeberin hat nicht dargelegt, dass bei der Angabe des Datums „30.07.2012“ über den objektiven Sinn der verwendeten Erklärungszeichen ein Irrtum bestanden hätte. Die Angabe des Datums ist handschriftlich erfolgt. Ein Vertippen ist damit ausgeschlossen.

Alles spricht dafür, dass ein schlichter Rechenfehler vorgelegen hat, dass die Beklagte nämlich davon ausgegangen ist, mit dem 30.07.2012 sei die Zwei-Jahres-Frist des § 14 Abs. 2 TzBfG abgelaufen. Damit hat sie aber genau die Erklärung abgegeben, die sie hat abgeben wollen. Dass sie sich an der Frist an § 14 Abs. 2 TzBfG orientieren wollte, ist lediglich Motiv ihrer Erklärung.

LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 17.04.2013 2 Sa 237/12

(Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern-online)

 

Befristung: Vertretung setzt keine körperliche Abwesenheit des Vertretenen voraus

Der Tatbestand der Vertretung setzt nicht voraus, dass die zu vertretende Stammkraft betrieblich abwesend, jedenfalls aber „von der Arbeitsleistung“ abwesend ist. Er kann auch dann vorliegen, wenn die Stammkraft vorübergehend mit anderen Aufgaben betraut ist. Der Arbeitgeber muss in diesem Fall aber eine auf Tatsachen beruhende Prognose erstellen, dass mit der Rückkehr der Stammkraft auf den ursprünglichen Arbeitsplatz zu rechnen ist und damit für die Vertretungskraft nach Vertragsende kein Beschäftigungsbedarf mehr besteht.

Der Sachgrund der Vertretung setzt nicht voraus, dass die Vertretungskraft die vorübergehend ausfallende Stammkraft unmittelbar vertritt und die von ihr bislang ausgeübten Tätigkeiten erledigt. Die Vertretungskraft kann auch mit anderen Aufgaben betraut werden. Die befristete Beschäftigung zur Vertretung lässt die Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers unberührt. Es muss jedoch sichergestellt sein, dass die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers wegen des Arbeitskräftebedarfs erfolgt, der durch die vorübergehende Abwesenheit der Stammkraft entsteht. Fehlt dieser Kausalzusammenhang, ist die Befristung nicht durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt.

Bei dieser Sachlage scheitert die vorliegende Befristung entgegen der Auffassung verschiedener Landesarbeitsgerichte nicht schon am Fehlen eines Vertretungstatbestands. Nach dieser Auffassung soll der Tatbestand der Vertretung voraussetzen, dass die zu vertretende Stammkraft betrieblich abwesend, jedenfalls aber „von der Arbeitsleistung“ abwesend ist. Werde der zu vertretende Arbeitnehmer im Betrieb weiterhin, jedoch mit anderen Aufgaben eingesetzt, so lasse sich damit der Sachgrund der Vertretung nicht begründen. Lasse man eine derartige Konstellation ausreichen, so könne der Arbeitgeber durch eine bloße Verschiebung von Aufgaben und vorübergehender Versetzung von Arbeitnehmern selbst Vertretungsfälle schaffen, die einer weiteren Kontrolle entzogen wären.

Liegt etwa dem Vertretungsfall ein vorübergehender Arbeitskräftemehrbedarf durch die Erprobung eines anderen Arbeitnehmers auf einer höherwertigen Stelle zugrunde (vgl. § 31 TVöD, vgl. auch LAG Düsseldorf 08. Dezember 2011 – 9 AZR 943/11 – Juris), so dürfte eine Rückkehrprognose in aller Regel gerechtfertigt sein, weil sich die Stammkraft in der höherwertigen Tätigkeit erst noch bewähren muss. Beruht der Arbeitskräftebedarf aber allein darauf, dass in einem anderen Bereich ein erhöhter Arbeitsbedarf entstanden ist und der Arbeitgeber daraufhin Umsetzungen vorgenommen hat, so ist die Rückkehr des umgesetzten Arbeitnehmers an seinen ursprünglichen Arbeitsplatz nicht zwingend als Regelfall anzunehmen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass sich der zunächst als vorübergehend angenommene Mehrbedarf als dauerhafter Bedarf erweist.

LAG Baden-Württemberg: Urteil vom 21.05.2012 – 1 Sa 34/11

(Quelle: Beck online)

Nichtberücksichtigung von Dienstzeiten aus befristeten Beschäftigungen bei Verbeamtung zur «Stabilisierung des Arbeitsverhältnisses» ohne sachlichen Grund unzulässig

Werden Dienstzeiten eines Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung aus vorangegangenen befristeten Arbeitsverhältnissen bei der anschließenden Einstellung als unbefristeter Beamter zur Stabilisierung des Arbeitsverhältnisses nicht anerkannt, verstößt dies gegen EU-Recht, sofern nicht sachliche Gründe den Ausschluss von der Anerkennung rechtfertigen. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 18.10.2012 auf Vorlage eines italienischen Gerichts entschieden. Die Befristung des Vertrags stelle dabei jedenfalls keinen sachlichen Grund dar.

Die Klägerinnen der Ausgangsverfahren waren zunächst auf der Grundlage mehrerer aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge bei der italienischen Wettbewerbsbehörde (AGCM) beschäftigt. Sie wurden dann im Rahmen eines im italienischen Recht vorgesehenen besonderen Verfahrens zur Stabilisierung von Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Sektor unbefristet als Berufsbeamte eingestellt. Die tarifliche Einstufung erfolgt bei einer solchen Stabilisierung ohne Anerkennung des im Rahmen der befristeten Verträge erreichten Dienstalters. Die AGCM weigerte sich deshalb, die Dienstzeiten zu berücksichtigen, die die Klägerinnen zuvor bei ihr als befristet Beschäftigte zurückgelegt hatten.

Dagegen gingen die Klägerinnen gerichtlich vor. Das italienische Vorlagegericht, der Consiglio di Stato, rief den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an und bat um Klärung, ob die Stabilisierungsregelung über die Nichtanerkennung der Dienstzeiten aus den befristeten Beschäftigungen bei der unbefristeten Einstellung als Berufsbeamter gegen die europäische Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge verstößt, die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung enthalten ist. Der EuGH stellt zunächst fest, dass sich die Klägerinnen auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung in § 4 der Rahmenvereinbarung berufen können. Dass sie mittlerweile Dauerbeschäftigte sind, stehe dem nicht entgegen, da anderenfalls der Schutz vor Diskriminierungen unangemessen eingeengt würde.

Anschließend geht der EuGH auf die Vergleichbarkeit der Sachverhalte ein. Dabei sei es grundsätzlich Sache des vorlegenden Gerichts zu prüfen, ob sich die Klägerinnen in einer vergleichbaren Situation wie die unbefristet angestellten Berufsbeamten befanden, als sie ihre Aufgaben im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrags wahrnahmen. Auf unterschiedliche Sachverhalte könne jedenfalls nicht deshalb geschlossen werden, weil die Klägerinnen – im Unterschied zu den Berufsbeamten – nicht mit Erfolg an einem öffentlichen Auswahlverfahren für den Zugang zum öffentlichen Dienst teilgenommen haben. Denn die vom nationalen Gesetzgeber festgelegten Voraussetzungen dienten gerade dazu, die Stabilisierung allein der befristet beschäftigten Arbeitnehmer zu ermöglichen, deren Situation derjenigen der Berufsbeamten gleichgestellt werden könne. Für eine Vergleichbarkeit ihrer Situation mit derjenigen der Berufsbeamten spreche, dass – wie die italienische Regierung selbst erläutert habe – die nationale Regelung gerade dazu dienen solle, die beim Arbeitgeber erworbene Berufserfahrung zu valorisieren. Die Klärung obliege aber dem Vorlagegericht.

Sollten die bei der AGCM im Rahmen befristeter Arbeitsverträge wahrgenommenen Aufgaben denjenigen eines Berufsbeamten der einschlägigen Laufbahn entsprechen, wäre laut EuGH weiter zu prüfen, ob die Nichtberücksichtigung der im Rahmen befristeter Arbeitsverträge zurückgelegten Dienstzeiten durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Der bloße Umstand, dass der befristet beschäftigte Arbeitnehmer Dienstzeiten auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrags zurückgelegt habe, stelle jedenfalls keinen solchen sachlichen Grund dar. Genügte die Befristung zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung, liefe dies auf die Fortschreibung einer für befristet beschäftigte Arbeitnehmer ungünstigen Situation hinaus. Dadurch würden die Ziele des EU-Rechts ihrer Substanz beraubt.

Hinsichtlich der von der italienischen Regierung geltend gemachten sachlichen Gründe räumt Der EuGH ein, dass die Mitgliedstaaten bei der Organisation ihrer öffentlichen Verwaltungen und dem Zugang zum öffentlichen Dienst über ein Ermessen verfügten. Laut EuGH können einige der vorgebrachten Unterschiede grundsätzlich eine unterschiedliche Behandlung in Bezug auf ihre Beschäftigungsbedingungen rechtfertigen. Das Ziel, eine umgekehrte Diskriminierung der nach erfolgreicher Absolvierung eines öffentlichen Auswahlverfahrens eingestellten Berufsbeamten zu vermeiden, könne einen sachlichen Grund darstellen. Allerdings sei die italienische Regelung unverhältnismäßig, da sie die Berücksichtigung sämtlicher im Rahmen befristeter Arbeitsverträge zurückgelegten Dienstzeiten bei der Bestimmung ihres Dienstalters anlässlich ihrer unbefristeten Einstellung und somit der Höhe ihres Gehalts vollständig ausschließe. Ein solcher vollständiger und absoluter Ausschluss beruhe auf der falschen Annahme, dass der unbefristete Charakter des Arbeitsverhältnisses bestimmter öffentlicher Bediensteter für sich genommen eine unterschiedliche Behandlung gegenüber den befristet eingestellten öffentlichen Bediensteten rechtfertige. Damit würden die Ziele der Richtlinie und der Rahmenvereinbarung ihrer Substanz beraubt. Ob sachliche Gründe im konkreten Fall vorliegen, müsse das vorlegende Gericht prüfen.

EuGH, Urteil vom 18.10.2012 – C-302/11, C-303/11; C-304/11; C-305/11

(Quelle: Beck online)

Tarifvertragliche Regelungen über sachgrundlose Befristung lt. BAG zulässig

Durch Tarifvertrag können sowohl die Höchstdauer als auch die Anzahl der zulässigen Verlängerungen eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags abweichend von den Vorschriften des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) geregelt werden. Dies hat das Bundesarbeitsgericht am 15.08.2012 entschieden.

Der Kläger war bei der Beklagten – einem Unternehmen des Wach- und Sicherheitsgewerbes – aufgrund eines befristeten, mehrfach verlängerten Arbeitsvertrags vom 03.04.2006 bis zum 02.10.2009 als Transportfahrer beschäftigt. Im ersten Vertrag und in den Verlängerungsverträgen war die Anwendung des Manteltarifvertrags für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland (MRTV) vereinbart. Nach § 2 Nr. 6 Sätze 1 und 2 MRTV sind ohne sachlichen Grund sowohl die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags bis zur Dauer von 42 Monaten als auch bis zu dieser Gesamtdauer die höchstens viermalige Verlängerung zulässig. Der Kläger hält die tarifliche Bestimmung für unwirksam und griff die darauf gestützte Befristung seines Arbeitsvertrags bis zum 02.10.2009 in den Vorinstanzen vergeblich an.

Das BAG ist der Auffassung, dass die Regelung des MRTV wirksam ist. Sie werde insbesondere durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG gedeckt. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 TzBfG sei die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer dürfe nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 TzBfG ein befristeter Vertrag höchstens dreimal verlängert werden. Wie die Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG ergebe, erlaube die Vorschrift den Tarifvertragsparteien nicht nur, entweder Gesamtdauer oder Anzahl der Verlängerungen, sondern auch beides zugleich zuungunsten der Arbeitnehmer abweichend vom Gesetz zu regeln. Der Fall verlange habe keine Entscheidung darüber verlangt, wo die möglichen Grenzen der gesetzlich eröffneten Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien liegen.

BAG, Urteil vom 15.08.2012 – 7 AZR 184/11

Rechtsmissbrauch von sog. „Kettenbefristungen“

Die Befristung eines Arbeitsvertrages kann trotz Sachgrundes gem. § 14 I 1 und 2 Nr. 3 TzBfG auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalls rechtsmissbräuchlich und daher unwirksam sein.

Die Klägerin war beim beklagten Land auf Grund von insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträgen von Juli 1996 bis Dezember 2007 im Geschäftsstellenbereich des AG Köln tätig. Die befristete Beschäftigung diente fast durchgehend der Vertretung von Justizangestellten, die sich in Elternzeit oder Sonderurlaub befanden. Mit ihrer Klage griff die Klägerin die Wirksamkeit der letzten Befristung vom 12.12.2006 für die Zeit vom 01.01.2007 bis 31.12.2007 an. Die Klage war in erster und zweiter Instanz erfolglos. Auf Grund der zugelassenen Revision hat das BAG mit Beschluss vom 17.11.2010 (7 AZR 443/09) den EuGH gefragt, ob eine wiederholte Befristung trotz ständigen Vertretungsbedarfs mit § 5 Nr. 1 der EGB-Unice-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.06.1999 vereinbar ist.

Der EuGH hat mit Urteil vom 26.01.2012 geantwortet, der Umstand, dass ein Arbeitgeber wiederholt oder sogar dauerhaft auf befristete Vertretungen zurückgreife, stehe weder der Annahme eines sachlichen Grundes entgegen, noch folge daraus das Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne dieser Bestimmung. Die nationalen staatlichen Stellen müssten aber auch bei Vorliegen eines sachlichen Grundes alle mit der Verlängerung der befristeten Verträge verbundenen Umstände berücksichtigen, da sie einen Hinweis auf Missbrauch geben können. Bei dieser Prüfung könnten sich die Zahl und Dauer der mit demselben Arbeitgeber geschlossenen aufeinanderfolgenden Verträge als relevant erweisen.

Auf der Basis der Entscheidung des EuGH meint das BAG, dass das Vorliegen eines ständigen Vertretungsbedarfs der Annahme des Sachgrunds der Vertretung grundsätzlich nicht entgegenstehe, sondern an den Grundsätzen der Sachgrundprüfung uneingeschränkt festgehalten werden könne. Allerdings könne unter besonderen Umständen die Befristung trotz Vorliegens des sachlichen Grundes wegen rechtsmissbräuchlicher Ausnutzung der an sich eröffneten rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten unwirksam sein. Das stehe im Einklang mit § 242 BGB. An einen solchen Rechtsmissbrauch seien jedoch hohe Anforderungen zu stellen. Die sehr lange Gesamtdauer und die außergewöhnlich hohe Anzahl der aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträge mit demselben Arbeitgeber spreche für einen Rechtsmissbrauch.

Das BAG hat den Rechtsstreit an das LAG zurückverwiesen, um dem beklagten Land Gelegenheit zu geben, noch besondere Umstände vorzutragen, die der Annahme des an sich indizierten Rechtsmissbrauchs entgegenstehen.

BAG, Urteil vom 18.07.2012 – 7 AZR 443/09

Befristung eines Arbeitsvertrags kann ausnahmsweise trotz Vorliegens sachlicher Gründe rechtsmissbräuchlich sein

Die Befristung eines Arbeitsvertrags kann trotz Vorliegens eines Sachgrunds aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich und daher unwirksam sein. Dies gilt insbesondere bei sehr langer Gesamtdauer oder einer außergewöhnlich hohen Anzahl aufeinander folgender Befristungen mit demselben Arbeitgeber. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteilen vom 18.07.2012 entschieden.

Nach § 14 I Satz 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrags zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist, beispielsweise zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers. Dem Sachgrund der Vertretung steht nach der Rechtsprechung des Siebten Senats des BAG auch eine größere Anzahl der mit einem Arbeitnehmer geschlossenen befristeten Verträge nicht entgegen. Entscheidend sei allein, ob bei der letzten Befristungsabrede ein Vertretungsfall vorlag. Ein bei dem Arbeitgeber vorhandener ständiger Vertretungsbedarf schließe den Sachgrund der Vertretung nicht aus. Der Siebte Senat hatte allerdings Bedenken, ob er aus Gründen des Unionsrechts gehindert ist, an dieser Rechtsprechung uneingeschränkt festzuhalten. Deswegen rief er den Europäischen Gerichtshof an.

Der EuGH entschied, dass zwar wiederholtes oder gar dauerhaftes Zurückgreifen auf befristete Vertretungen sachlich gerechtfertigt sei. Die nationalen staatlichen Stellen müssten aber alle mit der Verlängerung der befristeten Verträge verbundenen Umstände berücksichtigen, da sie einen Hinweis auf Missbrauch geben können, den § 5 Nr. 1 der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.06.1999 (Rahmenvereinbarung) verhindern soll. Bei dieser Prüfung könnten sich Zahl und Dauer der mit demselben Arbeitgeber geschlossenen aufeinander folgenden Verträge als relevant erweisen.

Hiervon ausgehend entschied das BAG, dass das Vorliegen eines ständigen Vertretungsbedarfs der Annahme des Sachgrunds der Vertretung nicht entgegenstehe, sondern an den Grundsätzen der Sachgrundprüfung uneingeschränkt festgehalten werden könne. Allerdings könne unter besonderen Umständen die Befristung eines Arbeitsvertrags trotz Vorliegens eines sachlichen Grundes wegen rechtsmissbräuchlicher Ausnutzung der an sich eröffneten rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit unwirksam sein. An einen solchen nur ausnahmsweise anzunehmenden Rechtsmissbrauch seien jedoch hohe Anforderungen zu stellen. Es müssten dabei alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere aber Gesamtdauer und Anzahl der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen aufeinander folgenden befristeten Verträge berücksichtigt werden..

Ein arbeitsgerichtliches Urteil, mit dem das Landesarbeitsgericht Köln die Befristungskontrollklage einer beim Land Nordrhein-Westfalen beschäftigten Justizangestellten abgewiesen hatte (BeckRS 2009, 68637), hob das BAG ausgehend von diesen Grundsätzen auf (Az.: 7 AZR 443/09). Die Klägerin war beim beklagten Land aufgrund von insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträgen von Juli 1996 bis Dezember 2007 im Geschäftsstellenbereich des Amtsgerichts Köln tätig. Die befristete Beschäftigung diente fast durchgehend der Vertretung von Justizangestellten, die sich in Elternzeit oder Sonderurlaub befanden. Für diese Befristung lag zwar der Sachgrund der Vertretung vor. Die Gesamtdauer von mehr als elf Jahren und die Anzahl von 13 Befristungen sprachen nach Ansicht des BAG dafür, dass das beklagte Land die an sich eröffnete Möglichkeit der Vertretungsbefristung rechtsmissbräuchlich ausgenutzt habe. Der Siebte Senat gab der Klage dennoch nicht statt, sondern verwies die Sache zurück. Denn dem beklagten Land sei Gelegenheit zu geben, noch besondere Umstände vorzutragen, die der Annahme des an sich indizierten Rechtsmissbrauchs entgegenstehen.

Dagegen wies der Senat die Befristungskontrollklage einer anderen Klägerin (Az.: 7 AZR 783/10) mit Blick auf eine Eltenzeitvertrung jedoch ab. Angesichts einer Gesamtdauer von sieben Jahren und neun Monaten sowie der Anzahl von vier Befristungen gäbe es in diesem Fall keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs.

BAG, Urteil vom 18.07.2012 – 7 AZR 783/10; 7 AZR 443/09

Wiederholte Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags auch bei ständigem Bedarf an Vertretungen zulässig

Befristete Arbeitsverträge dürfen auch dann wiederholt zum Zwecke der Vertretung verlängert werden, wenn ein wiederkehrender oder sogar ständiger Bedarf an Vertretungen besteht. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 26.01.2012 entschieden. Bei der Missbrauchskontrolle müssten aber alle Umstände des Einzelfalls einschließlich der Zahl und der Gesamtdauer der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen befristeten Verträge berücksichtigt werden.

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens arbeitete elf Jahre lang auf der Grundlage von insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträgen beim Land Nordrhein-Westfalen als Justizangestellte in der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Köln. Alle diese Verträge wurden zur Vertretung unbefristet eingestellter Justizangestellter geschlossen, die sich vorübergehend hatten beurlauben lassen, so beispielsweise im Rahmen der Elternzeit. Vor dem Arbeitsgericht Köln klagte sie auf Feststellung des Fortbestands ihres Arbeitsverhältnisses. Ihr letzter Arbeitsvertrag müsse als auf unbestimmte Zeit geschlossen gelten, da kein sachlicher Grund vorliege, der seine Befristung rechtfertige. Bei insgesamt 13 unmittelbar aneinander anschließenden befristeten Arbeitsverträgen in einem Zeitraum von elf Jahren könne nämlich nicht mehr von einem vorübergehenden Bedarf an Vertretungskräften ausgegangen werden.

Das Bundesarbeitsgericht als Revisionsinstanz rief den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an (BeckRS 2010, 75736) und bat um Auslegung des § 5 Nr. 1 lit. a der Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner EGB, UNICE und CEEP über befristete Arbeitsverträge, die durch die Richtlinie 1999/70/EG durchgeführt wird. Die Rahmenvereinbarung betrachtet unbefristete Arbeitsverträge als die übliche Form der Beschäftigungsverhältnisse und verpflichtet die Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu ergreifen, um Missbräuche durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu vermeiden. Dazu gehört insbesondere die Festlegung «sachlicher Gründe», welche die Verlängerung solcher Verträge rechtfertigen können. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz Nr. 3 TzBfG liegt ein solcher sachlicher Grund vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Darunter fällt zum Beispiel eine Vertretung aufgrund von Mutterschaftsurlaub oder Elternzeit. Das BAG wollte wissen, ob es gegen EU-Recht verstößt, eine Vertretung auch dann als sachlichen Grund anzunehmen, wenn ein ständiger Vertretungsbedarf gegeben ist, der auch durch die Einstellung eines Arbeitnehmers mit einem unbefristeten Vertrag gedeckt werden könnte.

Laut EuGH bildet die vorübergehende Vertretung eines anderen Arbeitnehmers grundsätzlich einen sachlichen Grund im Sinne des EU-Rechts, der sowohl befristete Verträge mit den Vertretungskräften als auch die Verlängerung der Verträge rechtfertigt. Aus dem bloßen Umstand, dass es für einen Arbeitgeber wie hier aufgrund der Zahl der Beschäftigten unvermeidlich ist, wiederholt oder sogar dauerhaft auf befristete Vertretungen zurückzugreifen, und diese Vertretungen auch durch die Einstellung von Arbeitnehmern mit unbefristeten Arbeitsverträgen gedeckt werden könnten, folge weder das Fehlen eines solchen sachlichen Grundes noch das Vorliegen eines Missbrauchs. Automatisch den Abschluss unbefristeter Verträge zu verlangen, wenn die Größe des betroffenen Unternehmens oder der betroffenen Einrichtung und die Zusammensetzung des Personals darauf schließen ließen, dass der Arbeitgeber mit einem wiederholten oder ständigen Bedarf an Vertretungskräften konfrontiert sei, ginge nach Auffassung des EuGH über die Ziele der durch die Richtlinie umgesetzten Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner hinaus und würde den den Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern eingeräumten Wertungsspielraum verletzen.

Der EuGH weist aber auch darauf hin, dass die nationalen Behörden bei der Beurteilung der Frage, ob die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags im Einzelfall durch einen sachlichen Grund wie den vorübergehenden Bedarf an Vertretungskräften gerechtfertigt ist, alle Umstände dieses Einzelfalls einschließlich der Zahl und der Gesamtdauer der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen befristeten Verträge berücksichtigen müssen.

EuGH, Urteil vom 26.01.2012 – C-586/10