Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Verstoß gegen Dienstpläne

Der Betriebsrat hat Anspruch auf Einhaltung des Dienstplans. Ordnet der Arbeitgeber an oder duldet er es, dass Arbeitnehmer während der im Dienstplan festgelegten Pausenzeiten arbeiten, so kann der Betriebsrat nach § 23 III BetrVG Unterlassung verlangen.

Die Parteien streiten darüber, ob der Betriebsrat vom Arbeitgeber verlangen kann, die Anordnung oder Duldung von Arbeit während der in den Dienstplänen festgelegten Pausenzeiten zu unterlassen. Der Arbeitgeber betreibt ein Luftverkehrsunternehmen. Antragsteller ist der am Flughafen für das Bodenpersonal gebildete Betriebsrat. Nach § 10 des Manteltarifvertrags ist den Arbeitnehmern je nach Länge der Arbeitszeit eine Mindestpause von 20 oder 30 Minuten zu gewähren. Hinsichtlich dieser tarifvertraglich festgelegten Pausen bestimmt die beim Arbeitgeber geltende „Betriebsvereinbarung Pausen“, dass die Pausenzeiten im Voraus in Dienst- und Schichtplänen festgelegt werden. Diese Dienst- und Schichtpläne werden vom Arbeitgeber unter Beteiligung des Betriebsrats aufgestellt.

In der Vergangenheit kam es in mindestens 36 Fällen dazu, dass Mitarbeiter die vorgesehenen Pausen nicht einhalten konnten, sondern die ganze Zeit arbeiten mussten. Die Ruhepause entfiel vollständig. Der Arbeitgeber unterrichtete den Betriebsrat hierüber jeweils nachträglich durch sog. Überstundenmitteilungen. Der Betriebsrat hat vom Arbeitgeber verlangt, die Anordnung oder Duldung von Arbeit während der Pausenzeiten zu unterlassen. Das ArbG hat dem Unterlassungsantrag unter Androhung eines Ordnungsgeldes stattgegeben, das LAG hat die Anträge des Betriebsrats abgewiesen.

Das BAG hat der Rechtsbeschwerde des Betriebsrats stattgegeben. Es hat dem Arbeitgeber unter Androhung eines Ordnungsgeldes aufgegeben, es künftig zu unterlassen, gegenüber Beschäftigten, die nach Schicht- und Dienstplänen arbeiten, anzuordnen oder zu dulden, dass diese eine Arbeitsleistung in den Pausenzeiten erbringen.

Der Betriebsrat könne nach § 23 III BetrVG vom Arbeitgeber verlangen, es zu unterlassen, während der in den Dienstplänen festgelegten Pausenzeiten Arbeit anzuordnen oder Arbeitsleistungen entgegen zu nehmen. Nach § 23 III BetrVG könne der Betriebsrat dem Arbeitgeber bei einem groben Verstoß gegen seine Verpflichtungen aus dem BetrVG gerichtlich aufgeben lassen, eine Handlung zu unterlassen. Ein grober Verstoß des Arbeitgebers sei bei einer objektiv erheblichen und offensichtlich schwerwiegenden Pflichtverletzung zu bejahen. Der Arbeitgeber habe nach diesen Grundsätzen grob gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstoßen. Die Einhaltung der Dienstpläne sei eine Verpflichtung i.S.d. § 23 III 1 BetrVG, weil sie gem. § 87 I Nr. 2 BetrVG unter Beteiligung des Betriebsrats aufgestellt worden seien. Der Arbeitgeber habe die mit dem Betriebsrat vereinbarten Dienstpläne einseitig geändert, indem er wiederholt die festgelegten Pausenzeiten aufgehoben habe. Der hierin liegende Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten sei grob, da der Arbeitgeber offensichtlich nicht befugt sei, die festgelegten Pausenzeiten einseitig aufzuheben.

as BAG hat mit knappen Worten ein grobe Verletzung des Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 INr. 2 BetrVG wegen der Nichtbeachtung der aufgestellten Dienstpläne bejaht und dem Unterlassungsantrag unter Androhung eines Ordnungsgelds stattgegeben. Betriebsräten steht hiermit ein scharfes Schwert zur Verfügung, um Arbeitgeber zu zwingen, sich an die vereinbarten Dienstpläne zu halten. Arbeitgeber sollten sich daher bei der Vereinbarung mit dem Betriebsrat eine gewisse Flexibilität für eine einseitige Änderung von Dienstplänen für unvorhergesehene Fälle (z.B. Krankheit) vorbehalten.

Die Entscheidung zeigt, dass das BAG in einer Verletzung von Mitbestimmungsrechten meist auch eine grobe Verletzung von betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten sieht. Es hat keinen Anlass gesehen zu prüfen, ob ein grober Verstoß ausscheidet, weil der Arbeitgeber eine Rechtsposition in einer schwierigen und ungeklärten Rechtsfrage verteidigt hatte (vgl. BAG, NZA 2005, 1372). Dies war vorliegend nicht so fernliegend. Immerhin hatte das LAG (ArbRAktuell 2011, 25 m. Anm. Frahm) einen Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte verneint und argumentiert, aufgrund des Tarifvorrangs nach § 87 I 1 erster Halbsatz BetrVG seien die im Schichtplan vorgesehen tariflichen Pausen der Mitbestimmung des Betriebsrats entzogen. Es hatte dieser Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zugemessen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

BAG, Beschluss vom 07.02.2012 – 1 ABR 77/10

Arbeitgeber darf nicht auf Betriebsratsdateien zugreifen – keine Protokolldateien für den Betriebsrat

In zwei Verfahren streiten die Beteiligten darüber, ob der Arbeitgeber auf Dateien, die sich auf dem Betriebsratslaufwerk des EDV-Systems der Arbeitgeberin befinden, zugreifen darf (4 TaBV 11/12) und ob der Betriebsrat vom Arbeitgeber Einsicht in Protokolldateien für Zugriffe auf das Betriebsratslaufwerk verlangen kann (4 TaBV 87/11). Auf dem Betriebsratslaufwerk befindet sich unter dem Briefkopf des Betriebsrats eine nicht unterzeichnete achtseitige Stellungnahme in einem Kündigungsschutzverfahren, das Mitarbeiter der Arbeitgeberin betrifft. Die Arbeitgeberin verdächtigt ein nicht freigestelltes Betriebsratsmitglied, diese Stellungnahme während seiner Arbeitszeit verfasst und so einen Arbeitszeitbetrug begangen zu haben. Die Arbeitgeberin verlangt mit ihrem Antrag deshalb festzustellen, dass sie die vollständige Dokumentenhistorie der achtseitigen Stellungnahme ohne Zustimmung des Betriebsrats zurückverfolgen darf, um festzustellen, wann die Datei durch wen bearbeitet wurde. Hilfsweise begehrt sie die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu diesem Vorgehen. Der Betriebsrat möchte seinerseits vom Arbeitgeber die Protokolldateien für Zugriffe auf den Betriebsratsserver an bestimmten Tagen verschafft bekommen.

Die Anträge der Arbeitgeberin und des Betriebsrats hatten vor dem Arbeitsgericht und vor dem Landesarbeitsgericht keinen Erfolg. Dem Arbeitgeber steht nicht das Recht zu, in die Dateien des Betriebsrats Einsicht zu nehmen. Der Betriebsrat verwaltet seine Dateien genauso wie seine sonstigen schriftlichen Unterlagen eigenverantwortlich, weil die Betriebsverfassung durch eine autonom ausgestaltete Interessenwahrnehmung geprägt ist. Auf die Eigentumsverhältnisse an den Datenlaufwerken kommt es insoweit nicht an. Dem Betriebsrat seinerseits fehlt das Rechtsschutzinteresse, um vom Arbeitgeber die Protokolldateien zu verlangen. Der Betriebsrat weiß, dass es bei seinem Laufwerk eine „undichte Stelle“ gibt. Es obliegt dem Betriebsrat in eigener Verantwortung, diese zu schließen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.

LAG Düsseldorf, Beschlüsse vom 07.03.2012 – 4 TaBV 87/11 und 11/12

Betriebsrat hat bei Versetzung zur Streitabwehr kein Mitbestimmungsrecht

Versetzt ein Arbeitgeber arbeitswillige Arbeitnehmer aus einem nicht bestreikten in einen bestreikten Betrieb, um die Streikfolgen zu begrenzen, benötigt er dafür nicht die Zustimmung des Betriebsrats des abgebenden Betriebs nach § 99 Abs. 1 BetrVG. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 13.12.2011 entschieden. Der Arbeitgeber sei aber nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG verpflichtet, dem Betriebsrat rechtzeitig vor Durchführung der personellen Maßnahme mitzuteilen, welche Arbeitnehmer er vorübergehend zur Streikabwehr einsetzen wolle (Az.: 1 ABR 2/10).

Die Arbeitgeberin betreibt einen Lebensmittelgroßhandel. Am Standort Frechen unterhält sie zwei Betriebe, ihre Zentrale und ein Logistikzentrum. Das Logistikzentrum wurde bestreikt. Zunächst zielte der Streik auf den Abschluss eines Verbandstarifvertrags, später dann nur noch auf den Abschluss eines betriebsbezogenen Haustarifvertrags. Zur Streikabwehr versetzte die Arbeitgeberin arbeitswillige Arbeitnehmer der Zentrale vorübergehend in das Logistikzentrum, ohne den Betriebsrat der Zentrale zu beteiligen. Sie begehrte die Feststellung, dass sie für eine solche personelle Maßnahme nicht die Zustimmung des Betriebsrats der Zentrale benötige.

Das BAG hat dem Feststellungsantrag entsprochen. Die Versetzung arbeitswilliger Arbeitnehmer von einem Betrieb des Arbeitgebers in einen ihm gehörenden bestreikten Betrieb zur Verrichtung von Streikbrucharbeit unterliege nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats des abgebenden Betriebs nach § 99 Abs. 1 BetrVG. Das BAG begründet dies damit, dass die mit dem gesetzlichen Zustimmungserfordernis und dem darauf bezogenen Anhörungsverfahren verbundenen Erschwernisse die Kampfparität ernsthaft zulasten des Arbeitgebers beeinträchtigen würden. Dies gelte unabhängig davon, ob der Streik auf den Abschluss eines Verbands- oder eines betriebsbezogenen Haustarifvertrags gerichtet sei.

BAG, Beschluss vom 13.12.2011 – 1 ABR 2/10