Der Betriebsübergang

Der Betriebsübergang ist häufig Gegenstand von arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten. Dies deshalb, da es in Krisenzeiten nicht selten ist, dass ein in Schwierigkeiten geratenes Unternehmen aus eigener Kraft nicht mehr bestehen kann, andere Unternehmen aber an den vorhandenen Betriebsmitteln oder Kundenstämmen dieses Unternehmens interessiert sind und sich bereit erklären, das Unternehmen zu erwerben. Dies birgt sowohl für den Verkäufer als auch für den Unternehmer in Hinblick auf die bestehenden Arbeitsverhältnisse nicht unerhebliche Risiken, auf die im Folgenden eingegangen werden soll.

Definition des Betriebsübergangs

Wenn ein Arbeitgeber seinen Betrieb (Produktionsanlagen, Büro, Einrichtungsgegenstände etc.) verkauft, sind die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer hiervon zunächst einmal nicht erfasst, da die Arbeitnehmer, anders als die Betriebsmittel, nicht im Eigentum des Arbeitgebers stehen. Dies würde dann dazu führen, dass die in dem verkauften Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer dort verbleiben würden, aufgrund der Veräußerung des Betriebs dort aber nicht mehr beschäftigt werden könnten und der Arbeitgeber berechtigt wäre, gegenüber diesen Arbeitnehmern betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen.

Um dies zu verhindern, regelt § 613a BGB dass ein neuer Betriebsinhaber in sämtliche Rechte und Pflichten der bestehenden Arbeitsverhältnisse, welche zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehen, einzutreten hat. Folglich für einen Betriebsübergang zu einem gesetzlichen Wechsel des Arbeitgebers, wobei die Arbeitsverhältnisse inhaltlich so wie zuvor mit dem Veräußerer abgeschlossenen, bestehen bleiben.

Wann genau ein Betriebsübergang nach § 613a BGB vorliegt, war bereits schon häufig Gegenstand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Bis zu Anfang der Neunzigerjahre ging das Bundesarbeitsgericht noch davon aus, dass als „Betrieb“ bzw.“ Betriebsteil“ wesentlichen nur sachliche Betriebsmittel gemeint ist. Diese Sichtweise greift allerdings zu kurz da insbesondere bei reinen Dienstleistungsbetrieben kaum sachlichen Betriebsmittel vorhanden sind oder diese ebenfalls im Betrieb nicht prägen. Bei Dienstleistungsbetrieben übernimmt ein Erwerber vielmehr in erster Linie das fachliche know how sowie die Kundenbeziehung des Veräußerers.

Aufgrund dessen hat die Rechtsprechung seine Auffassung geändert und stellt zwischenzeitlich bei der Frage, ob ein Betriebsübergang vorliegt, darauf ab, ob es zwischen Veräußerer und Erwerber nach der Veräußerung eine wirtschaftliche Einheit/Identität gibt.

Bei der Frage, ob eine wirtschaftliche Einheit vorliegt, gilt es folgende Punkte zu überprüfen:

  1. Art des Unternehmens: Je nachdem, ob es sich eher um einen Produktionsbetrieb handelt oder eher um einen Dienstleistungsbetrieb, sind für seine “Identität” sachliche Betriebsmittel wichtig oder weniger wichtig. Daher ist zunächst zu klären, wo der Kern der Wertschöpfung liegt, die den Betrieb prägt.
  2. Übernahme sachlicher Betriebsmittel: Wird die Betriebseinrichtung wie zum Beispiel EDV, Büroeinrichtungen, Fuhrpark, Produktionsmittel übernommen?
  3. Wert der ggf. übernommenen ideellen Betriebsmittel (know how): Werden spezielle Formen der Arbeitsorganisation oder der Qualitätssicherung oder eine sehr spezielle Dienstleistung bzw. ein sehr spezielles Produkt fortgeführt?
  4. Übernahme oder Nichtübernahme der Belegschaft: Werden nach Zahl und Sachkunde wesentliche Teile der Belegschaft übernommen?
  5. Übernahme oder Nichtübernahme der Kundschaft: Werden bestehende Kundenbeziehungen, insbesondere werthaltige Aufträge fortgeführt?
  6. Ähnlichkeit der Tätigkeit vor und nach dem Übergang: Hier ist zu prüfen, ob die Tätigkeit vor und nach dem Übergang in einer ähnlichen Weise fortgeführt werden, d.h. ob Betriebsmethoden und Arbeitsorganisation im Wesentlichen gleich geblieben sind. Hier hat der Europäische Gerichtshof Anfang 2009 deutlich gemacht, dass die organisatorische Zuordnung von übernommenen Arbeitnehmerteams zu neuen Abteilungen im aufnehmenden Betrieb einen Betriebsteilübergang nicht in allen Fällen ausschließt (Urteil vom 12.02.2009, Rs. C-466/07 ).
  7. Dauer einer möglichen Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit: Eine vorübergehende Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit für einige Tage oder Wochen schließt einen Betriebs- oder Betriebsteilübergang noch nicht aus. Je nach der Art des Betriebs ist aber nach mehreren Monaten der Betriebsunterbrechung davon auszugehen, dass ein Betriebsübergang nicht vorliegt.

Ergibt eine Prüfung erhält der oben genannten Kriterien, dass mehr Anhaltspunkte für einen Betriebsübergang sprechen als dagegen, so geht die Rechtsprechung auch von einem Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB aus. Dies hat zur Folge, dass der Erwerber auch die wenigen Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen hat, die er ja ursprünglich nicht übernehmen wollte.

Betriebsübergang und Qutsourching

n vielen Fällen reagieren Arbeitgeber auf wirtschaftliche, technische oder organisatorische Probleme durch Auslagerung von betrieblichen Untergliederungen, also zum Beispiel durch die Einstellung des bisher betriebseigenen Reinigungsservice unter Einsatz einer Fremdfirma oder zum Beispiel durch die Verpachtung der bisher selbst unterhaltenen Betriebskantine an ein betriebsfremdes Cateringunternehmen. Hier stellt sich Frage, ob ein solches “Outsourcing” die Voraussetzungen von § 613a BGB erfüllt, d.h. ob man hier von dem rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebsteils sprechen kann.

Nach der Rechtsprechung kommt es hier entscheidend darauf an, ob die ausgelagerte Einheit bzw. Abteilung eine selbständige wirtschaftliche Einheit innerhalb des Betriebs darstellt. Um diese Frage beantworten zu können, muss man zum Beispiel prüfen, ob Einheit bzw. Abteilung zum Zeitpunkt der Auslagerung besondere Kunden oder Aufträge hatte, ob sie speziell qualifizierte Arbeitnehmer besaß, ob sie eine besondere Form der Arbeitsorganisation aufwies und ob ihr eigene Betriebsmittel wie zum Beispiel spezielle Maschinen oder besondere Räumlichkeiten zugeordnet waren.

Wenn diese Fragen mit “ja” zu beantworten sind, handelt es sich um eine selbständige wirtschaftliche Einheit und somit um einen Betriebsteil im Sinne von § 613a BGB. Im Prinzip kommt es dabei auf dieselben Prüffragen an, die oben bereits angesprochen wurden, d.h. auf dieselben Kriterien, die für das Vorliegen eines “Betriebs” im Sinne von § 613a BGB bedeutsam sind.

Das heißt: Ein Betriebsteil ist ein “Betrieb” im kleinen, d.h. auch der Betriebsteil muss eine “wirtschaftliche Einheit” im Sinne der obigen Tatbestandsmerkmale darstellen. Wichtig ist, dass der Betriebsteil eine selbständig abtrennbare organisatorische Einheit innerhalb des Gesamtbetriebs darstellt. Das ist immer dann zweifelhaft, wenn sich der Teileinheit keine speziellen Betriebszwecke zuordnen lassen.

Zuordnung von betroffenen Mitarbeitern

In machen Fällen ist nicht klar, ob bestimmte Arbeitnehmer von einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang betroffen oder nicht betroffen sind, da ihre Zuordnung zu betrieblichen Einheiten in der Vergangenheit oft gewechselt hat oder da sie übergeordnete Stabs- oder Verwaltungsaufgaben erfüllen, ohne den speziell dafür zuständigen Abteilungen anzugehören.

Der Grund für Unklarheiten bei der Zuordnung von Arbeitnehmer und Betriebsteil kann auch in einer längeren Abwesenheit liegen, d.h. an einem Auslandseinsatz, einer Elternzeit (früher: “Erziehungsurlaub”) oder einer Freistellung bei Betriebsratsmitgliedern. In solchen Fällen kommt es darauf an, welcher betrieblichen Einheit der Arbeitnehmer vor der Abwesenheit zugeordnet war, wobei die Schwierigkeit genau darin bestehen kann, dass betriebliche Einheit im Laufe der Abwesenheit des Arbeitnehmers aufgelöst worden ist bzw. in der alten Form nicht mehr existiert.

In solchen Fällen kommt es darauf an, welchen betrieblichen Einheiten der Arbeitnehmer nach objektiven Kriterien zuzuordnen ist. Rechtsgrundlage der Zuordnung ist in aller Regel das sog. Weisungsrecht (Direktionsrecht) des Arbeitgebers, von dem dieser allerdings nur “nach billigem Ermessen”, d.h. unter angemessener Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers Gebrauch machen kann. Soweit einzelvertragliche Vereinbarungen über die Zuordnung des Arbeitnehmers zu bestimmten Betriebsteilen nicht vorhanden sind, kann nach herrschender Ansicht der Arbeitgeber – und das auch noch kurz vor dem Betriebs- oder Betriebsteilübergang (!) – eine verbindliche Zuordnungsentscheidung treffen.

Folgen des Betriebsübergangs für den einzelnen Arbeitsvertrag

Wie erwähnt lautet die Kernaussage von § 613a BGB, dass bei einem Betriebsübergang oder bei einem Betriebsteilübergang der der neue Inhaber in alle Rechte und Pflichten der zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse eintritt. Es gibt also kraft Gesetzes einen Wechsel in der Person des Arbeitgebers, während das Arbeitsverhältnis im übrigen unverändert fortbesteht.

Diese Rechtsfolge ist zwingend, d.h. abweichende Vereinbarungen sind unwirksam, wenn sie zulasten des Arbeitnehmers gehen. Es ist zwar nicht verboten und kommt auch häufig vor, dass aus Anlass eines Betriebsübergangs neue Arbeitsverträge ausgefertigt und den betroffenen Arbeitnehmern zur Unterschrift vorgelegt werden. Da der Betriebsübergang als solcher aber zu keinen Änderungen des Vertragsinhaltes führt, gibt es an sich “nichts zu unterschreiben”. Im übrigen spricht natürlich auch nichts dagegen, den personellen Wechsel auf seiten des Arbeitgebers in einer Vertragsurkunde festzuhalten, doch ist diese dann deklaratorisch, d.h. sie gibt nur wieder, was ohnehin aus dem Gesetz folgt.

Verzichtet der Arbeitnehmer aus Anlass eines Betriebsübergangs “freiwillig” auf einzelne Rechte aus seinem Arbeitsvertrag, verlangt die Rechtsprechung dafür einen sachlichen Grund. Gibt es einen solchen Grund nicht, ist die Vertragsänderung als unzulässige Abweichung von § 613a BGB anzusehen und damit wirkungslos.

Aber Vorsicht: Vereinbaren die Vertragsparteien einige Zeit nach dem Betriebsübergang eine Arbeitsvertragsänderung zulasten des Arbeitnehmers, ist diese grundsätzlich wirksam, falls keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der aus § 613a BGB folgende Bestandsschutz umgangen werden soll. So hat das BAG die arbeitsvertragliche Absenkung der Vergütung einer Verkäuferin gebilligt, da es einen Zusammenhang mit dem knapp zwei Monate zuvor erfolgten Betriebsübergang (01.01.2004) nicht erkennen konnte und daher auch kein verbotenes Umgehungsgeschäft annahm (BAG, Urteil vom 07.11.2007, 5 AZR 1007/06).

Folgen des Betriebsübergangs für Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen

Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden.

Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

Transformationsregel und Änderungssperre

Satz 2 von § 613a Abs.1 BGB enthält die sog. Transformationsregel und die sog. Änderungssperre: Wenn die arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt sind, so ändern sie aufgrund des Betriebsübergangs ihre rechtliche Qualität, indem sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer werden; außerdem dürfen sie – als frischgebackene Arbeitsvertragsinhalte – nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Betriebsübergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden.

Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist klein und wird oft überschätzt. Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 613a Abs.1 Satz 2 BGB ist nämlich, dass beide Parteien des Arbeitsverhältnisses zur Zeit des Betriebsübergangs tarifgebunden sind, d.h. der Arbeitnehmer muss Gewerkschaftsmitglied sein und der Arbeitgeber entweder als Mitglied eines Arbeitgeberverbandes an den Verbandstarifvertrag oder aufgrund eines Firmentarifvertrags an diesen gebunden sein.

Nur wenn die Voraussetzungen der beiderseitigen Tarifgebundenheit erfüllt ist, gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen (sog. Tarifwirkung, § 4 Abs.1 Satz 1 Tarifvertragsgesetz – TVG).

Ändert sich in einer solchen Situation aufgrund des Betriebsübergangs die Sachlage in der Hinsicht, dass der Betriebserwerber anders als sein Vorgänger an keinen Tarifvertrag gebunden ist, fällt die beiderseitige Tarifgebundenheit fort und es entsteht eine Regelungslücke. Diese wird durch § 613a Abs.1 Satz 2 BGB gefüllt, indem die bisher tariflichen Regelungen Bestandteil des Einzelarbeitsvertrags werden.

Achtung: § 613a Abs.1 Satz 2 BGB gilt nicht für Außenseiter, d.h. für Arbeitnehmer, die nicht Gewerkschaftsmitglied sind. Soweit sich deren Arbeitsverhältnisse nach den Rechtsnormen eines Tarifvertrags richten, gelten diese Rechtsnormen nicht kraft Tarifwirkung, sondern von vornherein und ausschließlich als Bestandteil des Arbeitsvertrags, nämlich aufgrund arbeitsvertraglicher Inbezugnahme oder auch aufgrund einer betrieblichen Übung, die allerdings auch dem “Arbeitsvertrag” im weiteren Sinne zuzurechnen ist.

Sind die Normen eines Tarifvertrags aber bereits von vornherein, d.h. vor Betriebsübergang Bestandteil des Einzelarbeitsvertrags aufgrund einer dort vorhandenen Bezugnahme, können sie nicht aufgrund des Betriebsübergangs noch ein zweites mal zu einem Arbeitsvertragsbestandteil werden.

Für Nichtgewerkschaftsmitglieder (“Außenseiter”), deren Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag verweist, gilt nicht § 613a Abs.1 Satz 2 BGB, sondern ausschließlich § 613a Abs.1 Satz 1 BGB.

Widerspruch des Arbeitnehmers gegen Betriebsübergang

Der Arbeitnehmer hat im Falle eines Betriebsübergangs die Möglichkeit, den Wechsel in der Person des Arbeitgebers zu verhindern. Um dem betroffenen Arbeitnehmer die Wahl zu geben, entweder beim alten zu bleiben oder sein Arbeitsverhältnis beim neuen Arbeitgeber fortzusetzen, schreibt das Gesetz eine ausführliche Information der betroffenen Arbeitnehmer vor und gibt ihnen gemäß § 613 a Abs. 5 und 6 BGB das Recht, im Anschluss an diese Information dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber zu widersprechen. Der Widerspruch ist an keine Begründung gebunden, d.h. das Widerspruchsrecht kann nach freiem Belieben ausgeübt werden.

Erklärt der Arbeitnehmer rechtzeitig, d.h. innerhalb der gesetzlichen Monatsfrist nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber seinen Widerspruch, so hat dies zur Folge, dass sein Arbeitsverhältnis mit dem ursprünglichen Arbeitgeber, d.h. dem Betriebsveräußerer fortbesteht. Da dieser aber in aller Regel aufgrund der Betriebsveräußerung keine Möglichkeit der weiteren Beschäftigung des Arbeitnehmers mehr hat, ist das Arbeitsverhältnis dadurch in seinem Bestand gefährdet, dass der Arbeitgeber eine zumeist wirksame ordentliche betriebsbedingte Kündigung aussprechen kann. Eine Option ist die Widerspruchsmöglichkeit dagegen für tariflich unkündbare Arbeitnehmer, da sie aufgrund der Unkündbarkeit einen erhöhten Schutz gegenüber betriebsbedingten Kündigungen genießen.

Infolge der Ausübung des Widerspruchsrechts bleiben die widersprechenden Arbeitnehmer zwar wie gesagt bei ihrem bisherigen Arbeitnehmer, doch wird dieser betriebsbedingte Kündigungen in Betracht ziehen. Hierbei kann sich die Situation ergeben, dass von der geplanten Kündigungswelle sowohl Arbeitnehmer betroffen sind, die aufgrund des Betriebsübergangs gar nicht mehr Teil der Belegschaft wären, wenn sie keinen Widerspruch erklärt hätten, als auch andere Arbeitnehmer, die nicht von vornherein vom Betriebsübergang betroffen waren. In einer solchen Konstellation versucht die Rechtsprechung des BAG, die “Widerspruchsritter” bei der Sozialauswahl abzustrafen. Anders gesagt möchte man diejenigen Arbeitnehmer, die vom Betriebsübergang nicht betroffen waren, nicht nur deshalb zum Opfer der Sozialauswahl werden lassen, weil die dem Betriebsübergang widersprechenden Arbeitnehmer ohne vernünftigen Grund lieber beim bisherigen Arbeitgeber bleiben wollten.

Kündigungsmöglichkeit des alten und neuen Arbeitgebers

Gemäß § 613a Abs. 4 BGB ist eine Kündigung sowohl des alten als auch des neuen Arbeitgebers aufgrund des Betriebsübergangs unwirksam. Eine ausgesprochene Kündigung aus anderem Grund ist hingegen weiterhin grundsätzlich zulässig. Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber können also im Prinzip vor, bei oder nach einem Betriebsübergang Kündigungen erklären, doch darf dies nicht “wegen” des Betriebsübergangs geschehen. Die Rechtsprechung drückt dies durch die Formel aus, dass eine Kündigung nur dann gemäß § 613a Abs.4 BGB unwirksam ist, wenn der Betriebsübergang der tragende Grund für die Kündigung ist.

Ob dies der Fall ist oder nicht, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen. Bei einer ordentlichen Kündigung aus verhaltens- oder personenbedingten Gründen dürfte es unwahrscheinlich sein, dass der Betriebsübergang der (verdeckte) tragende Grund für die Kündigung ist. Bei einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung ist ein solcher Zusammenhang schon eher wahrscheinlich, doch ist auch hier in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein konkretes Sanierungskonzept den Betriebsveräußerer ebenso wie den Betriebserwerber zum Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen berechtigen kann.

Unwirksam wäre aber zum Beispiel eine betriebsbedingte Kündigung des Betriebsveräußerers, die nur damit begründet wird, dass der Erwerber die gekündigten Arbeitnehmer nicht übernehmen will. In einem solchen Fall wäre der Betriebsübergang der tragende Grund für die Kündigung.

Mithaftung des Veräußerers

Da der Betriebserwerber nach der Grundregel des § 613a Abs.1 Satz 1 BGB automatisch und zum Stichtag des Übergangs den Betriebsveräußerer ersetzt, besteht die Gefahr, dass zur Zahlung anstehenden Löhne bzw. Lohnrückstände aufgrund eines Betriebsübergangs uneinbringlich werden.

Als Beispiel gilt hierfür ein Betriebsübergang auf eine eigens dafür gegründete GmbH, die mittellos ist.

In einem solchen Fall würde die bloße Ersetzung des bisherigen durch den neuen Arbeitgeber dazu führen, dass der bisherige Arbeitgeber von seinen Schulden zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs automatisch loskäme, da diese Verbindlichkeiten ja zu diesem Zeitpunkt auf den neuen Arbeitgeber übergeleitet werden: Er rückt ja in vollem Umfang in die Rechtsstellung seines Vorgängers ein und haftet daher nicht nur für die künftigen Lohnansprüche, sondern muss auch die bereits bestehenden Ansprüche erfüllen.

Um den Betriebsveräußerer nicht vollständig und in einer zu Ungunsten der Arbeitnehmer gehenden Weise zu entlasten, ordnet § 613 Abs.2 BGB eine Mithaftung des bisherigen Arbeitnehmers an. Diese Mithaftung erstreckt sich grundsätzlich nur auf Altverbindlichkeiten.

Da die in § 613 Abs.2 BGB angeordnete Mithaftung in den Fällen leerläuft, in denen der Betriebsveräußerer aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Umwandlung in der neuen Gesellschaft aufgeht und daher nicht länger existiert, stellt § 613 Abs.3 BGB klar, dass die Mithaftung nicht gilt, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

Betriebsübergang und Betriebsrat

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG stellt der Übergang eines Betriebs gemäß § 613a BGB als solcher keine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung im Sinne von § 111 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) dar. Der Betriebsrat kann daher weder Verhandlungen über einen Interessenausgleich verlangen noch die Aufstellung eines Sozialplans.

Anders als Betriebsüberänge stellen Betriebsteilübergänge nach der Rechtsprechung in der Regel eine Betriebsänderung dar und lösen daher gemäß §§ 111 ff. BetrVG die Pflicht zu Interessenausgleichsverhandlungen und zur Aufstellung eines Sozialplans aus. Wird nämlich nicht der gesamte Betrieb, sondern nur ein Betriebsteil übertragen, liegt in der Regel eine Betriebsaufspaltung oder der Zusammenschluss des übergehenden Betriebsteils mit dem aufnehmenden Betrieb vor. Beides ist eine interessenausgleichs- und sozialplanpflichtige Betriebsänderung gemäß § 111 Satz 3 Nr.3 BetrVG, d.h. hier besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Auch hier ist aber nicht der Inhaberwechsel selbst, sondern seine konkrete Umsetzung in Gestalt der Veränderung betrieblicher Abläufe der Grund dafür, eine Betriebsänderung anzunehmen.

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