Arbeitgeber können nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX a. F. (jetzt: § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX) verpflichtet sein, einer stufenweisen Wiedereingliederung eines schwerbehinderten Beschäftigten gemäß dem Wiedereingliederungsplan des behandelnden Arztes zuzustimmen. Dies geht aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.05.2019 hervor. Sie dürfen den Wiedereingliederungsplan aber – wie hier – ablehnen, wenn die begründete Befürchtung besteht, dass der Gesundheitszustand des Schwerbehinderten eine Beschäftigung entsprechend diesem Plan nicht zulässt (Az.: 8 AZR 530/17).

Betriebsärztin befürwortete stufenweise Wiedereingliederung mit Tätigkeitsbeschränkungen

Der schwerbehinderte Kläger ist bei der beklagten Stadt als Technischer Angestellter beschäftigt. Von August 2014 bis einschließlich zum 06.03.2016 war er arbeitsunfähig erkrankt. Am 21.09.2015 fand eine betriebsärztliche Untersuchung des Klägers statt. In der Beurteilung der Betriebsärztin vom 12.10.2015 wurde eine stufenweise Wiedereingliederung zur vorsichtigen Heranführung an die Arbeitsfähigkeit mit bestimmten Einschränkungen in der Tätigkeit befürwortet.

Kläger begehrte ärztlich empfohlene Wiedereingliederung ohne Beschränkungen

Unter Vorlage des Wiedereingliederungsplans seines behandelnden Arztes vom 28.10.2015 beantragte der Kläger bei der beklagten Stadt die stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben im Zeitraum vom 16.11.2015 bis zum 15.01.2016. Der Wiedereingliederungsplan des behandelnden Arztes sah keine Einschränkungen in der Tätigkeit vor. Als absehbaren Zeitpunkt der Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit gab der behandelnde Arzt den 18.01.2016 an.

Beklagte lehnte Wiedereingliederungsplan ab

Die beklagte Stadt lehnte diesen Wiedereingliederungsplan am 05.11.2015 mit der Begründung ab, dass ein Einsatz des Klägers im bisherigen Aufgabengebiet/Tätigkeitsbereich wegen der in der betriebsärztlichen Beurteilung aufgeführten Einschränkungen nicht möglich sei. Dem vom Kläger vorgelegten zweiten Wiedereingliederungsplan, der eine Wiedereingliederung in der Zeit vom 04.01.2016 bis zum 04.03.2016 vorsah, und dem ein Bericht der behandelnden Psychologin beilag, wonach Einschränkungen in der Tätigkeit nicht mehr bestanden, stimmte die beklagte Stadt nach erneuter – nun positiver – Beurteilung durch die Betriebsärztin zu. Diese Wiedereingliederung war erfolgreich, der Kläger erlangte am 07.03.2016 seine volle Arbeitsfähigkeit wieder.

Kläger verlangte Schadenersatz

Der Kläger forderte mit seiner Klage von der beklagten Stadt den Ersatz der Vergütung, die ihm in der Zeit vom 18.01. bis zum 06.03.2016 dadurch entgangen ist, dass die beklagte Stadt ihn nicht entsprechend den Vorgaben des Wiedereingliederungsplans vom 28.10.2015 beschäftigt hat. Das Arbeitsgericht (BeckRS 2016, 130485) wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht (BeckRS 2017, 144305) gab ihr auf die Berufung des Klägers im Wesentlichen statt. Dagegen legte die beklagte Stadt Revision ein.

BAG: Beklagte durfte Wiedereingliederungsplan ablehnen

Die Revision hatte Erfolg. Die beklagte Stadt sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger entsprechend den Vorgaben des Wiedereingliederungsplans vom 28.10.2015 in der Zeit vom 16.11.2015 bis zum 15.01.2016 zu beschäftigen, meint das BAG. Zwar könne der Arbeitgeber nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX a. F. (jetzt: § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX) verpflichtet sein, an einer Maßnahme der stufenweisen Wiedereingliederung derart mitzuwirken, dass er den Beschäftigten entsprechend den Vorgaben des Wiedereingliederungsplans beschäftigt.

Beurteilung der Betriebsärztin begründete berechtigte Eignungszweifel

Laut BAG lagen im Fall des Klägers aber besondere Umstände vor, aufgrund derer die beklagte Stadt ihre Zustimmung zum Wiedereingliederungsplan vom 28.10.2015 verweigern durfte. Es habe aufgrund der Beurteilung der Betriebsärztin vom 12.10.2015 die begründete Befürchtung bestanden, dass der Gesundheitszustand des Klägers eine Beschäftigung entsprechend diesem Wiedereingliederungsplan nicht zulassen würde. Die begründeten Zweifel an der Geeignetheit des Wiedereingliederungsplans hätten sich auch nicht bis zum vorgesehen Beginn der Maßnahme ausräumen lassen.

BAG , Urteil vom 16.05.2019 – 8 AZR 530/17

(Quelle: Beck online)