LAG Köln spricht Schichtarbeiter Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung zu

Das Landesarbeitsgericht Köln hat einem bislang dreischichtig in Vollzeit arbeitenden Maschinenführer einen Anspruch auf Teilzeitarbeit zugebilligt und damit die Vorinstanz bestätigt. Das vom Arbeitgeber geltend gemachte Erfordernis zusätzlicher Schichtübergaben genüge nicht zur Ablehnung, da gewisse organisatorische Anstrengungen bei jeder Einrichtung von Teilzeitarbeit notwendig seien.

Der Kläger hatte als Maschinenführer im Drei-Schicht-Betrieb in Vollzeit gearbeitet. Nach der Rückkehr aus einer knapp zweijährigen Elternzeit wollte er nur noch vormittags in Teilzeit arbeiten. Der Arbeitgeber lehnte dies ab, weil sonst speziell für den Kläger zusätzliche Schichtübergaben eingeführt werden müssten. Dies führe zu Produktionsverzögerungen und damit zu wirtschaftlichen Nachteilen. Das Arbeitsgericht Bonn ließ dies nicht gelten.

Das LAG hat die ArbG-Entscheidung bestätigt und ebenfalls einen Teilzeit-Anspruch des Klägers bejaht. Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG müsse ein Arbeitgeber Teilzeit-Wünschen von Arbeitnehmern zuzustimmen, wenn nicht betriebliche Gründe entgegenstehen. Das LAG erachtete die Ablehnungsgründe des Arbeitgebers für nicht gewichtig genug. Gewisse organisatorische Anstrengungen seien bei jeder Einrichtung von Teilzeitarbeit erforderlich und gesetzesimmanent. Im vorliegenden Fall gingen sie nicht über das zumutbare Maß hinaus.

LAG Köln, Urteil vom 10.01.2013 – 7 Sa 766/12

(Quelle: Beck online)

Vertragliche Verfallklausel für Ansprüche aus Arbeitsverhältnis gilt nicht für Vorsatzhaftung

Eine zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages vereinbarte Ausschlussfrist ist regelmäßig dahin auszulegen, dass sie nur die von den Parteien für regelungsbedürftig gehaltenen Fälle erfassen soll. Eine Anwendung auch für die Fälle, die durch gesetzliche Verbote oder Gebote geregelt sind, sei dagegen regelmäßig gerade nicht gewollt, meint das Bundesarbeitsgericht. Das gelte beispielsweise für Vorsatzhaftung.

Zwischen den Parteien bestand seit dem 01.09.2009 ein auf ein Jahr befristetes Arbeitsverhältnis. Im schriftlichen Arbeitsvertrag hatten die Parteien eine Ausschlussfrist vereinbart, wonach alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen sollten, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.

Die Klägerin war ab dem 16.11.2009 arbeitsunfähig krank. Anfang Februar 2010 verständigten sich die Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.05.2010. Am 26.03.2010 unterrichtete die Klägerin die Arbeitgeberin darüber, dass sie gegen ihren Vorgesetzten Strafanzeige wegen Beleidigung und sexueller Belästigung gestellt habe. Mit einer am 30.08.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage machte die Klägerin erstmalig die Zahlung eines Schmerzensgeldes wegen Mobbings geltend.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BAG Erfolg. Mit der von den Vorinstanzen gegebenen Begründung habe die Klage nicht abgewiesen werden dürfen. Anders als bei einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist könnten die Parteien eines Arbeitsvertrages weder die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtern (§ 202 Abs. 1 BGB) noch die Haftung wegen Vorsatzes dem Schuldner im Voraus erlassen (§ 276 Abs. 3 BGB). Zudem hafte der Arbeitgeber bei Arbeitsunfällen und Berufsunfähigkeit ausschließlich bei Vorsatz, § 104 Abs. 1 SGB VII. Bei dieser klaren Gesetzeslage sei ohne besondere Anzeichen regelmäßig davon auszugehen, dass die Parteien des Arbeitsvertrages mit der Ausschlussklausel nicht auch Fragen der Vorsatzhaftung regeln wollten. Im Übrigen wäre auch bei anderem Auslegungsergebnis eine solche arbeitsvertragliche Klausel, anders als eine tarifvertragliche Normativbestimmung,unwirksam.

Das BAG hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses werde zu klären haben, ob eine vorsätzliche Handlung der Arbeitgeberin und ihrer Erfüllungsgehilfen einen Anspruch der Klägerin auf Schmerzensgeld wegen Mobbings begründet.

BAG, Urteil vom 20.06.2013 – 8 AZR 280/12

(Quelle: Beck online)

Auch außertarifliche Angestellte muss sich ohne explizite Vereinbarung an betriebsübliche Arbeitszeiten halten

Ist in einem Arbeitsvertrag die Dauer der Arbeitszeit nicht ausdrücklich geregelt, so gilt die betriebsübliche Arbeitszeit als vereinbart. Nach ihr bemessen sich die Pflichten des Arbeitnehmers zur Anwesenheit und zur Arbeitsleistung und des Arbeitgebers zur Zahlung der Vergütung. Eine deutliche Unterschreitung der so festgestellten Zeiten kann zur Gehaltskürzung führen. Diese Grundsätze gelten auch für außertarifliche Angestellte. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Die Klägerin ist bei der Beklagten als außertarifliche Mitarbeiterin beschäftigt und bezieht ein Jahresgehalt von rund 95.000 Euro brutto. Nach dem Arbeitsvertrag muss sie auch «außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit tätig werden». Weitere Regelungen zur Arbeitszeit enthält der Vertrag nicht. Im Herbst 2010 hatten sich nach Angaben der Beklagten nahezu 700 Minusstunden angesammelt. Seit Oktober 2010 forderte die Beklagte die Klägerin auf, eine tägliche Arbeitszeit von mindestens 7,6 Stunden beziehungsweise die betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden einzuhalten. Die Klägerin kam dem nicht nach.

Weil die Klägerin ihre Arbeitspflicht nicht vollständig erfüllte und zum Beispiel im Dezember nur 19,8 Stunden und im Januar nur 5,5 Stunden im Betrieb gearbeitet hatte, kürzte die Beklagte ihr deshalb die Gehälter bis Januar 2011 um insgesamt 7.000 Euro brutto. Die Klägerin macht mit der Klage geltend, sie sei vertraglich nicht verpflichtet, 38 Stunden pro Woche zu arbeiten. Sie müsse auch nicht an bestimmten Tagen und zu bestimmten Zeiten im Betrieb sein. Ihre Arbeit sei nicht in Zeiteinheiten zu messen. Vielmehr erfülle sie ihre Arbeitspflicht ohne Rücksicht auf den zeitlichen Aspekt schon dann, wenn sie die ihr von der Beklagten übertragenen Aufgaben erledige. Deshalb müsse die Beklagte ihr auch das volle Gehalt unabhängig von der Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden zahlen.

Die Klage blieb – wie schon in den Vorinstanzen – auch vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Der Arbeitsvertrag der Parteien setze als Maß der zu leistenden Arbeit die betriebsübliche Arbeitszeit – hier 38 Stunden pro Arbeitswoche – voraus. Anhaltspunkte für die Vereinbarung einer dem Zeitmaß enthobenen Arbeitspflicht bestünden nicht, so die Erfurter Richter. Weil diese Arbeitsleistung von der Klägerin hier nicht eingehalten worden sei, sei die Beklagte nicht verpflichtet, Vergütung für Zeiten zu leisten, in denen die Klägerin nicht gearbeitet hat.

BAG, Urteil vom 15.05.2013 – 10 AZR 325/12

(Quelle: Beck online)

Geltendmachung eines Anspruchs vor dessen Entstehung kann ausnahmsweise eine tarifliche Ausschlussfrist wahren

Eine tarifliche Ausschlussfrist kann ausnahmsweise durch Geltendmachung des Anspruchs vor dessen Entstehung gewahrt werden. Das kommt in Betracht, wenn die Erfüllung von konkreten gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen auf einer bestimmten Berechnungsgrundlage verlangt wird und nur diese zwischen den Parteien streitig ist.

Der Kläger war Busfahrer bei der Beklagten. Auf sein Arbeitsverhältnis war aufgrund vertraglicher Vereinbarung der Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des privaten Personenverkehrs mit Omnibussen in Hessen (LTV) anzuwenden. Dieser regelte für den Kläger sowohl einen Stundenlohn von 9,66 EUR als auch einen „Stundenlohn gesamt“ (Stundenlohn zzgl. Zulagen) von 11,23 EUR. Der entsprechende Manteltarifvertrag (MTV) regelte in § 11 Zeitzuschläge, die auf Grundlage des „Stundenlohns“ berechnet werden sollten. § 21 des MTV enthielt Ausschlussfristen von 8 Wochen bzw. 3 Monaten nach Fälligkeit bzw. der Entstehung der Ansprüche.

Zwischen der Beklagten und dem bei ihr gebildeten Betriebsrat sowie der zuständigen Gewerkschaft gab es seit 2007 Gespräche über die Grundlage für die Berechnung der Zeitzuschläge. Die Beklagte berechnete diese Zuschläge auf Grundlage des Stundenlohns von 9,66 EUR. Ende Januar 2008 überreichte der Kläger neben weiteren Arbeitnehmern der Beklagten ein vom Betriebsrat formuliertes Schreiben, in dem er u.a. geltend machte, dass die Zeitzuschläge auf Grundlage des „Stundenlohns gesamt“ berechnet werden müssten. Mit seiner Klage machte er die Differenzbeträge für den Lohn seit November 2007 geltend. Das ArbG hat die Klage abgewiesen, das LAG ihr stattgegeben. Das BAG bestätigt die Entscheidung.

Das BAG stellt zunächst klar, dass als Grundlage für die Berechnung der Zeitzuschläge der „Stundenlohn gesamt“ heranzuziehen sei. Dies ergebe sich aus der Auslegung der entsprechenden tariflichen Regelungen.

Die Ansprüche des Klägers waren nicht wegen der Ausschlussfrist des § 21 MTV verfallen. Dem stehe nicht entgegen, dass die Ansprüche bei ihrer Geltendmachung zum Teil noch nicht entstanden waren. Zwar sei dies bei Ausschlussfristen grundsätzlich erforderlich. Eine Ausnahme bestehe jedoch, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden könne. Dies sei der Fall, wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entstehe. Dann genüge die einmalige Geltendmachung auch für noch nicht entstandene Ansprüche. Dies entspreche auch der ständigen Rechtsprechung des BAG im Hinblick auf zukünftige Entgeltansprüche, die bereits mit Erhebung der Kündigungsschutzklage wirksam geltend gemacht würden. Im vorliegenden Falle handele es sich um eine Streitigkeit über die Berechnungsgrundlage und daher um den gleichen Grundtatbestand für die Vergütung. Eine monatsweise wiederholte Geltendmachung der Ansprüche des Klägers wäre eine bloße Förmelei und brächte der Beklagten keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn.

Das Berufen auf die Ausschlussfrist sei zudem rechtsmissbräuchlich. Die Beklagte habe seit 2007 Gespräche mit Betriebsrat und Gewerkschaft geführt. Spätestens seit der Geltendmachung der Ansprüche durch die Arbeitnehmer habe die Beklagte von der Forderung der Arbeitnehmer gewusst. Hätte sie die Geltendmachung als nicht ausreichend angesehen, hätte sie die Verhandlungspartner darauf hinweisen müssen. Sich nun auf die Ausschlussfristen zu berufen, sei rechtsmissbräuchlich.

BAG, Urteil vom 16.01.2013 – 10 AZR 863/11

(Quelle: Beck online)

LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.03.2013 – 6 TaBV 9/12

Beabsichtigt ein Arbeitgeber ohne sachliche Gründe neue Arbeitnehmer nur noch auf Einschicht-Arbeitsplätzen mit 17 Wochenstunden zu beschäftigen, darf der Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung verweigern, da ein solches Konzept das Recht auf Erhöhung der Arbeitszeit verletzt. Dies geht aus einem Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden Württemberg vom 21.03.2013 hervor.

Der international tätige Paketlogistiker UPS will an einem Standort Arbeitnehmer nur in einer von drei Schichten in Teilzeit mit einer Wochenarbeitszeit von 17 Stunden beschäftigen und lehnt Arbeitszeiterhöhungen auf 34 Stunden pro Woche in zwei Schichten grundsätzlich ab. Der Betriebsrat verweigerte in mehr als hundert Fällen seine Zustimmung zur Einstellung von neuen Arbeitnehmern auf Einschicht-Arbeitsplätze mit 17 Wochenstunden, weil er darin eine Benachteiligung der aufstockungswilligen Arbeitnehmer sah. Gemäß § 99 BetrVG kann der Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers verweigern, wenn diese gegen ein Gesetz verstößt.

as Landesarbeitsgericht hat die Zustimmungsverweigerungen des Betriebsrats als begründet angesehen. Die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers müsse sachlich gerechtfertigt sein. Eine Einschränkung der Flexibilisierung des Personaleinsatzes mit Mehrarbeit durch Doppelschichtarbeitsplätze sei nicht erkennbar. Ein erhöhter Organisationsaufwand in Vertretungsfällen wie Urlaub und Krankheit sei hinzunehmen. Höhere Krankenstände und eine größere Zahl von Betriebsunfällen in den Doppelschichten seien nicht zwingend auf die höhere Arbeitszeit zurückzuführen. UPS unterlaufe daher mit seinem Konzept, nur Arbeitnehmer in Teilzeit zu beschäftigen, den Anspruch auf Erhöhung der Arbeitszeit nach § 9 TzBfG. Danach habe ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer bei Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes grundsätzlich einen Anspruch auf Verlängerung seiner Arbeitszeit.

LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.03.2013 – 6 TaBV 9/12

(Quelle: Beck online)

LAG Baden-Württemberg: Landesbank durfte Bonuszahlungen 2008-2011 kürzen und streichen

Die Landesbank Baden-Württemberg durfte ihren Führungskräften die Bonuszahlungen in den Geschäftsjahren 2008 bis 2011 kürzen und auch ganz streichen. Dies geht aus einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 14.01.2013 hervor. Wegen der drastischen Verluste während der Wirtschafts- und Finanzkrise wäre es der Öffentlichkeit und den Anteilseignern der Landesbank nicht zu vermitteln gewesen, wenn Führungskräfte weiterhin hohe Boni erhalten hätten.

Der Kläger ist bei der Landesbank Baden-Württemberg auf der dritten Führungsebene als Abteilungsleiter tätig. Neben seiner fixen Vergütung in Höhe von etwa 120.000 Euro brutto jährlich erhielt er in den vergangenen Jahren stets eine variable Vergütung in Höhe von 30 bis 45% seiner fixen Vergütung. Nach der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung entscheidet der Vorstand der Landesbank über die variable Vergütung jährlich nach freiem Ermessen aufgrund des Erfolgs der Bank, des Erfolgs des jeweils betroffenen Bereichs und der Leistung der einzelnen Führungskraft. Im Geschäftsjahr 2008 kürzte die Landesbank die variable Vergütung aller durchschnittlich bewerteten Führungskräfte, auch die des Klägers, um die Hälfte. In den Geschäftsjahren 2009 und 2010 strich die Landesbank die variable Vergütung der Führungskräfte völlig. Im Geschäftsjahr 2011 zahlte die Landesbank an die überdurchschnittlich beurteilten Führungskräfte 20% der jeweils vereinbarten variablen Vergütung. Zu diesen überdurchschnittlich beurteilten Führungskräften zählte die Landesbank den Kläger nicht.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger zunächst Auskunft über die zur Bestimmung seiner variablen Vergütung maßgeblichen Faktoren sowie entsprechend dem Ergebnis der Auskunft Zahlung einer (höheren) variablen Vergütung für die Geschäftsjahre 2008 bis 2011. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Dagegen legte die Landesbank Berufung ein.

as LAG hat entschieden, der Vorstand der Landesbank habe die variable Vergütung des Klägers in den Geschäftsjahren 2009 und 2010 streichen dürfen. Die Leistungsbestimmung durch den Vorstand habe billigem Ermessen entsprochen. Angesichts der drastischen Verluste in den genannten Geschäftsjahren habe der Vorstand davon ausgehen dürfen, dass es der Öffentlichkeit und den Anteilseignern der Landesbank nicht zu vermitteln gewesen wäre, wenn weiterhin hohe Boni an die Führungskräfte gezahlt worden wären.

twas anders beurteilt das LAG die Lage für die Geschäftsjahre 2008 und 2011. In diesen beiden Geschäftsjahren habe die Landesbank die variablen Vergütungen der Führungskräfte nicht völlig gestrichen, sondern deren gekürzte Höhe von der Leistung der jeweiligen Führungskraft abhängig gemacht. Zur Leistungsbewertung habe sich die Landesbank lediglich auf eine nicht näher dargelegte Einschätzung des Vorgesetzten berufen. Dies genügt laut LAG nicht, um eine durchschnittliche Leistung des (früher überdurchschnittlich beurteilten) Klägers nachzuweisen. Die Landesbank muss nun vor dem ArbG konkret darlegen, weshalb sie die Leistungen des Klägers als «nur» durchschnittlich eingeschätzt hat.

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.2013 – 1 Sa 27/12

(Quelle: Beck online)

Kein Annahmeverzug während der Streikteilnahme nach Kündigung

Beteiligt sich ein außerordentlich gekündigter Arbeitnehmer an einem Streik, steht ihm für diese Zeit auch dann kein Annahmeverzugslohn zu, wenn in einem nachfolgenden Kündigungsschutzprozess die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt wird. Wer streikt, ist nicht leistungswillig i.S.d. § 297 BGB.

Im März 2010 forderte die zuständige Gewerkschaft die nicht tarifgebundene Beklagte zur Aufnahme von Tarifverhandlungen über den Abschluss eines Haustarifvertrags auf. Am 08.04.2010 wurde eine Tarifkommission gewählt. Am Folgetag kündigte die Beklagte der Klägerin und weiteren Mitgliedern der Tarifkommission ordentlich zum 30.06.2010. Am 12.04.2010 rief die Gewerkschaft die Belegschaft der Beklagten zum Streik auf. Am 24.04.2010 kündigte die Beklagte der streikenden Klägerin sowie weiteren Arbeitnehmern fristlos. Die Klägerin und die anderen gekündigten Beschäftigten erhoben Kündigungsschutzklage. Mit Urteil vom 14.07.2010 stellte das ArbG die Unwirksamkeit sämtlicher außerordentlicher und ordentlicher Kündigungen fest. Der Streik wurde daraufhin – ohne Tarifabschluss – beendet.

Die Klägerin nahm die Beklagte gerichtlich auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung für die Zeit vom 25.04.2010 bis zum 15.07.2010 in Anspruch. ArbG und LAG wiesen die Klage ab.

Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des BAG hat sie keinen Vergütungsanspruch für den streitgegenständlichen Zeitraum. Zwar wäre die Beklagte durch den Ausspruch der unwirksamen außerordentlichen Kündigung vom 22.04.2010 an sich in Annahmeverzug gekommen. Dem Anspruch auf Verzugslohn nach § 615 Satz 1 BGB stehe jedoch entgegen, dass die Klägerin sich in der Zeit, für die sie Annahmeverzugsvergütung verlangt, an dem von der Gewerkschaft geführten Streik beteiligt hat. Die Klägerin sei daher nicht leistungswillig i.S.d. § 297 BGB gewesen.

Dem Einwand der Klägerin, sie sei nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung durch die Beklagte nicht mehr deren Arbeitnehmerin gewesen, folgte das BAG nicht. Wegen des aus Sicht der Klägerin erfolgreichen Kündigungsschutzprozesses habe das Arbeitsverhältnis nicht geendet, sondern im streitgegenständlichen Zeitraum fortbestanden.

Der Sachverhalt sei auch nicht vergleichbar mit dem eines Arbeitnehmers, der sich für den Zeitraum der Streikteilnahme in zulässiger Weise aus dem betrieblichen Zeiterfassungssystem abmeldet. Während sich dieser Arbeitnehmer während der Teilnahme an der Streitkundgebung in Freizeit befinde und deshalb durch die Streikteilnahme keine Arbeitspflichten aufheben könne, habe sich die Klägerin nicht in ihrer Freizeit an einem Streik beteiligt, sondern zu einer Zeit, während derer sie nach objektiver Rechtslage zur Erbringung einer Arbeitsleistung verpflichtet gewesen wäre.

Das Urteil ist überzeugend begründet. Nach § 297 BGB setzt Annahmeverzug Leistungsvermögen des Arbeitnehmers voraus. Der Arbeitnehmer muss subjektiv willens und objektiv in der Lage sein, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Liegt eine dieser Voraussetzungen nicht vor, wie dies etwa bei Krankheit oder einem Beschäftigungsverbot der Fall ist, kann Annahmeverzug nicht bestehen (ErfK/Preis, § 615 BGB Rn. 43 m.w.N.).

Könnte die Klägerin für die Dauer der Streikteilnahme eine Vergütung beanspruchen, wäre dies im Übrigen eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung im Verhältnis zu ungekündigten streikenden Arbeitnehmern. Diese verlieren wegen der Streikteilnahme ihren Vergütungsanspruch.

Allerdings hatte die Klägerin im Verfahren darauf hingewiesen, dass die Gewerkschaft einem ungekündigten Arbeitnehmer während des Streiks eine Streikbeihilfe, einem gekündigten Arbeitnehmer dagegen nur eine geringere und zudem zurückzuzahlende Solidaritätsunterstützung gewährt. Möglicherweise wird das vorliegende Urteil dazu führen, dass entsprechende Bestimmungen in den Satzungen der Gewerkschaften geändert werden.

BAG, Urteil vom 17.07.2012 – 1 AZR 563/11

(Quelle:beck-fachdienst Arbeitsrecht – FD-ArbR 2012, 340413)

BAG verneint Altersdiskriminierung durch Stichtagsregelung für Jahressonderzahlung

Eine tarifliche Regelung, wonach der Anspruch auf eine Sonderzahlung vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 01.12. des Jahres abhängt, benachteiligt Arbeitnehmer, die vor diesem Stichtag wegen Erreichens des gesetzlichen Rentenalters aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, nicht unzulässig wegen ihres Alters. Das geht aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hervor.

Insbesondere würden dadurch ältere Arbeitnehmer nicht entgegen den Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) wegen ihres Alters in unzulässiger Weise benachteiligt, erklärten die Erfurter Richter. Eine unmittelbare Benachteiligung liege nicht vor, da der Anspruch auf die Sonderzahlung nicht vom Alter des Beschäftigten abhänge. Es seien auch keine Anhaltspunkte erkennbar, dass ältere Arbeitnehmer überproportional von der Regelung betroffen seien, also eine mittelbare Diskriminierung vorliege. Denn auch andere Beschäftigte, die beispielsweise wegen des Ablaufs eines befristeten Arbeitsvertrags, wegen einer Eigenkündigung oder einer arbeitgeberseitigen Kündigung vor dem 01.12. ausscheiden, hätten unabhängig von ihrem Alter keinen Anspruch auf die Sonderzahlung.

Gemäß § 20 TVöD haben Beschäftigte, die am 01.12. in einem Arbeitsverhältnis stehen, Anspruch auf eine Jahressonderzahlung, deren Höhe zwischen 60% und 90% des durchschnittlichen Monatsentgelts beträgt. Der Kläger war seit 1968 bei der beklagten Stadt beschäftigt. Zum 31.10.2009 ist er aufgrund Erreichens des gesetzlichen Rentenalters aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Eine Sonderzahlung hat die Arbeitgeberin für das Jahr 2009 an ihn nicht geleistet. Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm stehe die Sonderzahlung trotz seines Ausscheidens vor dem 1. Dezember zu. Die tarifliche Regelung diskriminiere ihn wegen seines Alters. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Der Zehnte BAG-Senat bestätigte die Sichtweise der Vorinstanzen, dass die Regelung in § 20 TVöD, wonach Voraussetzung für den Anspruch auf eine Sonderzahlung das Bestehen des Arbeitsverhältnisses am 01.12. des Jahres ist, rechtswirksam sei.

BAG, Urteil vom 12.12.2012 – 10 AZR 718/11

(Quelle: Beck online)

LAG Baden-Württemberg: Mindestlohn auch für Bereitschaftsdienst in der Pflegebranche

Die Regelung über das Mindestentgelt in der Pflegebranche in § 2 Abs. 1 PflegeArbbV differenziert nicht nach der Art der erbrachten Tätigkeit. Deshalb sind auch im Bereitschaftsdienst erbrachte Arbeitsleistungen mit demselben Mindestentgeltsatz zu vergüten wie Arbeitsleistungen während der Vollarbeitszeit. Das hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschieden, aber die Revision zugelassen.

Die Klägerin war bei einem privaten Pflegedienst beschäftigt und wurde in einem katholischen Schwesternhaus zur Erbringung pflegerischer Leistungen bei zwei pflegebedürftigen Schwestern eingesetzt. Die katholische Kirche war Auftraggeberin der Beklagten. Vertraglich war die Erbringung von Rund-um-die-Uhr-Diensten, zumeist 15 Tage am Stück, geschuldet. Während der Dienste wohnte die Pflegerin im Schwesternheim in unmittelbarer Nähe zu den Schwestern. In diese Dienste fielen Zeiten der Vollarbeit sowie Bereitschaftszeiten. Eine Abgrenzung zwischen Vollarbeit und Bereitschaftsdienst wurde vertraglich nicht getroffen. Die Klägerin machte über ihre vertragliche Pauschalvergütung hinaus Entgeltansprüche unter Zugrundelegung des Mindestentgelts in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV geltend. Diesen Stundensatz begehrte sie für die vollen 24 Stunden eines Rund-um-die-Uhr-Dienstes.

Das Landesarbeitsgericht hat der Klage weitgehend entsprochen und lediglich, soweit die Klägerin auch für Pausenzeiten Vergütung begehrte, die Klage abgewiesen. Das LAG hat erläutert, dass die Regelung über das Mindestentgelt in der Pflegebranche in § 2 Abs. 1 PflegeArbbV nicht nach der Art der erbrachten Tätigkeit differenziert, so dass auch im Bereitschaftsdienst erbrachte Arbeitsleistungen mit demselben Mindestentgeltsatz zu vergüten sind wie Arbeitsleistungen während der Vollarbeitszeit. Überwiegen im Rahmen der Leistungserbringung die pflegerischen Tätigkeiten der Grundpflege gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 1-33 SGB XI und ist somit der Anwendungsbereich der Mindestentgeltregelungen gemäß § 1 Abs. 3 PflegeArbbV eröffnet, seien auch andere Tätigkeiten, insbesondere solche der hauswirtschaftlichen Versorgung nach § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI mit dem Mindestentgeltsatz zu vergüten, so das LAG.

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.11.2012 – 4 Sa 48/12

(Quelle: Beck online)

Wettbewerbstätigkeit während Freistellung nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages

Vereinbaren die Parteien im Aufhebungsvertrag die Freistellung für den Rest der Kündigungsfrist und sieht der Aufhebungsvertrag nicht ausdrücklich die Anrechenbarkeit anderweitigen Verdienstes vor, muss sich der Arbeitnehmer die Vergütung aus einer noch während der Kündigungsfrist aufgenommenen Wettbewerbstätigkeit nicht auf das fortzuzahlende Entgelt anrechnen lassen.

Der beklagte Arbeitnehmer war bei dem klagenden Arbeitgeber als Produktionsmanager beschäftigt. Nachdem der Arbeitgeber gekündigt hatte, wurde ein Aufhebungsvertrag geschlossen, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung per 31.01.2010 enden sollte und der Kläger bis dahin unter Fortzahlung vertragsgemäßer Vergütung freigestellt sein sollte. Spätestens seit dem 01.12.2009 stand der Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis mit einem der führenden Wettbewerber, bei dem er eine fast gleich hohe Vergütung erzielte. Nachdem der Arbeitgeber davon erfahren hatte, forderte er die während der Freistellungsphase gezahlte Vergütung zurück.

Die Klagen blieben in allen Instanzen erfolglos.

Wie sich aus der zweitinstanzlichen Entscheidung des LAG Baden-Württemberg  entnehmen lässt, hatte sich der klagende Arbeitgeber parallel auf drei verschiedene Anspruchsgrundlagen berufen, blieb jedoch in jeder Hinsicht erfolglos:

– Eine Anrechnung des anderweitigen Verdienstes nach § 615 Satz 2 BGB verneinte das BAG. Mit der Freistellungsvereinbarung im Aufhebungsvertrag sei die Arbeitspflicht des Beklagten erloschen und deshalb sei § 615 Satz 2 BGB (Annahmeverzug) nicht anwendbar.

– Zwar habe auch während der Freistellungsphase das gesetzliche Wettbewerbsverbot (§ 60 HGB bzw. § 241 BGB) gegolten. Deshalb habe sich der Beklagte schadenersatzpflichtig gemacht. Dass der Beklagte anderweitigen Verdienst erzielt habe, stelle für den Arbeitgeber jedoch keinen Schaden dar.

– Die Sondervorschrift des § 61 HGB greife nicht. Die Eingehung eines neuen Arbeitsverhältnisses sei kein „Geschäftemachen“ im Sinne dieser Vorschrift.

BAG, Urteil vom 17.10.2012 – 10 AZR 809/11

(Quelle: beck-fachdienst Arbeitsrecht – FD-ArbR 2012, 339225)