Be­treibt eine Stel­le der öf­fent­li­chen Ver­wal­tung in so­zia­len Me­di­en ei­ge­ne Sei­ten oder Ka­nä­le, kann wegen der für alle Nut­zer be­stehen­den Mög­lich­keit, dort ein­ge­stell­te Bei­trä­ge zu kom­men­tie­ren, eine tech­ni­sche Ein­rich­tung zur Über­wa­chung des Ver­hal­tens und der Leis­tung von Be­schäf­tig­ten vor­lie­gen. Die An­wen­dung einer der­ar­ti­gen Kom­men­tar­funk­ti­on kann daher laut Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt der Mit­be­stim­mung des Per­so­nal­rats un­ter­lie­gen.

Streit um Kommentarfunktion auf Seiten der Deutschen Rentenversicherung

Die Deutsche Rentenversicherung Bund unterhält im Rahmen ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und zur Personalgewinnung bei Facebook, Instagram und Twitter eigene Seiten und Kanäle. Von ihr dort eingestellte Beiträge können Nutzerinnen und Nutzer nach eigenem Belieben kommentieren und dabei auch Verhalten oder Leistung einzelner Beschäftigter thematisieren. Beiträge und Kommentare werden von den sozialen Medien gespeichert, aber dort nicht für die Dienststelle ausgewertet. Während das VG ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bejaht hat, hat das OVG dessen Bestehen verneint.

Personalrat kann Mitbestimmungsrecht haben

Das BVerwG hat nunmehr entschieden, dass die Frage, ob Einrichtung oder Anwendung einer Kommentarfunktion auf Kanälen der öffentlichen Verwaltung in sozialen Medien der Mitbestimmung durch den Personalrat unterliegen, nur nach Maßgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalles beantwortet werden kann. Nach § 75 Abs. 3 Nr. 17 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) a.F. beziehungsweise § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG n.F. habe der Personalrat mitzubestimmen bei der Einrichtung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen. Das Mitbestimmungsrecht diene dem Schutz der Persönlichkeit der Beschäftigten am Arbeitsplatz und solle gewährleisten, dass Beschäftigte nicht durch eine technische Einrichtung eine ständige Überwachung befürchten müssen und dadurch unter einen Überwachungsdruck geraten.

Bereits Speichern von Kommentaren kann Überwachung sein

Dieser Schutzzweck gebiete es entgegen der Ansicht des OVG, bereits das Speichern von Nutzerkommentaren mit verhaltens- oder leistungsbezogenen Angaben als selbstständige Überwachung anzusehen. So berge das Speichern grundsätzlich die Gefahr in sich, dass die Dienststelle die Daten auch auswertet, wodurch ein Überwachungsdruck bei den Beschäftigten erzeugt werden könne. Die Datenspeicherung könne zudem zur Überwachung der Beschäftigten „bestimmt“ sein. Dafür sei ausreichend, dass sie objektiv zur Überwachung geeignet ist. Ob das der Fall ist, hänge in tatsächlicher Hinsicht davon ab, ob bei objektiver Betrachtung im konkreten Fall eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Einstellen entsprechender Nutzerkommentare gegeben ist.

Individueller Online-Auftritt kann Wahrscheinlichkeit für Kommentare erhöhen

Diese Wahrscheinlichkeit sei höher, wenn die Dienststellenleitung selbst auf der in Rede stehenden Seite über konkrete Beschäftigte und ihr Tätigkeitsfeld berichtet und damit den Blick des Publikums auf das dienstliche Verhalten und die Leistung von Beschäftigten lenkt. Demgegenüber seien Nutzerkommentare eher unwahrscheinlich, wenn der Online-Auftritt der Dienststelle sachbezogen sei und lediglich allgemein über Aufgaben der Dienststelle informiert. Zudem könne die Überwachungseignung auch erst nach einer gewissen Zeit bestehen, wenn es erst im Verlaufe des Betriebs zu einer nennenswerten Zahl verhaltens- oder leistungsbezogener Nutzerkommentare kommt. Schließlich sei zu berücksichtigen, ob die Dienststellenleitung Kommentare ohne vorherige Auswertung schnellstmöglich löscht. Ein Überwachungsdruck könnte dann nämlich nicht angenommen werden.

BVerwG, Beschluss vom 04.05.2023 – 5 P 16.21

(Quelle: Redaktion beck-aktuell)