BAG: Kürzere Kündigungsfrist in der Probezeit muss sich aus Arbeitsvertrag deutlich ergeben

Sieht der Arbeitsvertrag eine Probezeit von längstens sechs Monaten vor, kann das Arbeitsverhältnis in dieser Zeit gemäß § 622 Abs. 3 BGB ohne weitere Vereinbarung von beiden Seiten mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Ist jedoch in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag in einer weiteren Klausel eine längere Kündigungsfrist festgelegt, ohne unmissverständlich deutlich zu machen, dass diese längere Frist erst nach dem Ende der Probezeit gelten soll, ist dies vom Arbeitnehmer regelmäßig dahin zu verstehen, dass der Arbeitgeber schon während der Probezeit nur mit der vereinbarten längeren Frist kündigen kann. Dies stellt das Bundesarbeitsgricht in einem Urteil vom 23.03.2017 (Az.: 6 AZR 705/15) klar.

Kürzere Kündigungsfrist während Probezeit ergibt sich nur aus Verweis auf Manteltarifvertrag

Der Kläger war ab April 2014 bei der Beklagten als Flugbegleiter beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag, den die Beklagte vorformuliert hatte, war in § 1 pauschal bestimmt, dass sich die Rechte und Pflichten der Parteien nach einem Manteltarifvertrag richten. Dieser sah während der Probezeit besondere Kündigungsfristen vor. In § 3 des Arbeitsvertrags war unter der Überschrift „Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses“ vorgesehen, dass die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit gelten. In § 8 des Vertrags, der mit „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ überschrieben war, war ohne Bezugnahme auf § 1 oder § 3 des Vertrags festgelegt, dass eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende gelte. Am 05.09.2014 erhielt der Kläger eine Kündigung zum 20.09.2014. Er begehrt die Feststellung, das Arbeitsverhältnis habe erst mit Ablauf der in § 8 des Arbeitsvertrags vereinbarten Frist und damit zum 31.10.2014 geendet. Aus dem Vertrag ergebe sich nicht, dass innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses eine kürzere Kündigungsfrist gelten solle.

Durchschnittsarbeitnehmer schließt aus Verweis nicht auf verkürzte Kündigungsfrist

Das Arbeitsgericht hatte die Klage noch abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht aber hatte auf die Berufung des Klägers das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte nun vor dem BAG keinen Erfolg. Die Bestimmungen des von der Beklagten vorformulierten Arbeitsvertrags seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher, regelmäßig nicht rechtskundiger Arbeitnehmer versteht. Aus Sicht eines solchen Arbeitnehmers lasse eine Vertragsgestaltung wie die im Arbeitsvertrag der Parteien nicht erkennen, dass dem Verweis auf den Manteltarifvertrag und der Vereinbarung einer Probezeit eine Bedeutung für Kündigungsfristen zukommt. Nach Wortlaut und Systematik des Vertrags sei vielmehr allein die Bestimmung einer sechswöchigen Kündigungsfrist maßgeblich. Diese Frist gelte auch für Kündigungen in der vereinbarten Probezeit.

(Quelle: Beck online)

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Alexander Berth

Kündigung Schwangerer ohne Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde kann zu entschädigende Diskriminierung sein

Die Kündigung einer schwangeren Frau ohne Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde kann eine verbotene Benachteiligung wegen des Geschlechts im Sinne von § 1 AGG darstellen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer Geldentschädigung verpflichten. Dies hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden und damit eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin bestätigt.

Der Beklagte, ein Rechtsanwalt, hatte der bei ihm beschäftigten Klägerin bereits während der Probezeit gekündigt. Diese Kündigung hatte das Arbeitsgericht in einem vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren nach § 9 MuSchG für unwirksam erklärt, weil die Klägerin ihrem Arbeitgeber gleich nach der Kündigung unter Vorlage des Mutterpasses mitgeteilt hatte, dass sie schwanger sei und der Arbeitgeber keine Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde zur Kündigung eingeholt hatte. Einige Monate später kündigte der Beklagte ein weiteres Mal ohne Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde.

Durch die erneute Kündigung wurde die Klägerin nach Auffassung des LAG wegen ihres Geschlechts benachteiligt. Der Einwand des Arbeitgebers, er habe angenommen, die Schwangerschaft sei bereits beendet, hat das Gericht für unberechtigt gehalten. Es hätten keine Anhaltspunkte für ein Ende der Schwangerschaft vorgelegen. Auch sei die Klägerin nicht verpflichtet gewesen, den Arbeitgeber stets von dem Fortbestand der Schwangerschaft in Kenntnis zu setzen. Das LAG hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen.

LAG Berlin-Brandenburg , Urteil vom 16.09.2015 – 23 Sa 1045/15

(Quelle: Beck online)

Kündigung bei Altersdiskriminierung im Kleinbetrieb

Ist bei einer Kündigung gegenüber einer Arbeitnehmerin aufgrund von ihr vorgetragener Indizien eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters nach § 22 AGG zu vermuten und gelingt es dem Arbeitgeber nicht diese Vermutung zu widerlegen, ist die Kündigung auch im Kleinbetrieb unwirksam. Dies stellt das Bundesarbeitsgericht klar.

Die am 20.01.1950 geborene Klägerin war bei der beklagten Gemeinschaftspraxis seit dem 16.12.1991 als Arzthelferin beschäftigt. In der Praxis waren im Jahr 2013 noch vier jüngere Arbeitnehmerinnen tätig. Die Klägerin war zuletzt überwiegend im Labor eingesetzt. Die Gesellschafter der Beklagten kündigten ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24.05.2013 zum 31.12.2013 wegen Veränderungen im Laborbereich, welche eine Umstrukturierung der Praxis erforderten. Dabei führten sie an, die Klägerin sei „inzwischen pensionsberechtigt“. Den anderen Beschäftigten wurde nicht gekündigt.

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung und verlangt eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Das Kündigungsschreiben lasse eine Benachteiligung wegen ihres Alters vermuten. Nach Darstellung der Beklagten sollte die Kündigung lediglich freundlich und verbindlich formuliert werden. Die Kündigung sei wegen eines zu erwartenden Entfalls von 70-80% der abrechenbaren Laborleistungen erfolgt. Die Klägerin sei mit den übrigen Arzthelferinnen nicht vergleichbar, weil sie schlechter qualifiziert sei. Deshalb sei ihr gekündigt worden.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BAG Erfolg. Die Kündigung verstoße gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG und sei deshalb unwirksam. Die Beklagte habe keinen ausreichenden Beweis dafür angeboten, dass die wegen der Erwähnung der „Pensionsberechtigung“ zu vermutende Altersdiskriminierung nicht vorliegt. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin der geltend gemachte Entschädigungsanspruch zusteht, könne noch nicht festgestellt werden. Die Sache wurde insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

BAG, Urteil vom 23.07.2015 – 6 AZR 457/14

(Quelle: Beck online)

Veröffentlichung von Videoaufnahmen eines Arbeitnehmers

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Unterlassung der Zugänglichmachung von Videoaufnahmen nach Beendigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie über einen damit verbundenen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld. Der Kläger war bei der Beklagten, einem Unternehmen für Kälte- und Klimatechnik, vom 15.1.2007 bis zum 15.9.2011 als Monteur beschäftigt. Im Jahre 2008 unterzeichnete er die Anlage zu einer „Einverständniserklärung“, die zum Gegenstand hatte, dass von ihm als Teil der Belegschaft Filmaufnahmen gemacht und für die Öffentlichkeitsarbeit verwendet werden durften. Für ihren Internetauftritt ließ die Beklagte daraufhin einen Werbefilm anfertigen, in welchem der Kläger in zwei kurzen Sequenzen für jeweils wenige Sekunden zu sehen war. Der Film wurde sodann auf der Homepage der Beklagten allgemein zugänglich veröffentlicht. Nach seinem Ausscheiden widerrief der Kläger im November 2011 seine „möglicherweise“ erteilte Einwilligung betreffend die Verwendung seines Bildes auf den Filmaufnahmen und forderte die Beklagte auf, das Video von der Internetseite zu entfernen. Dem entsprach diese unter Vorbehalt.

Das ArbG Koblenz wies die daraufhin erhobene Unterlassungs- und Schmerzensgeldklage ab. Auch die eingelegte Berufung des Klägers wurde von dem LAG Rheinland-Pfalz zurückgewiesen. Die vom Kläger eingelegte Revision hatte vor dem BAG ebenfalls keinen Erfolg.

Das BAG bestätigte im Ergebnis die Rechtsansicht des LAG und stellte fest, dass die im Jahre 2008 erteilte Einwilligung des Klägers in die Veröffentlichung und Nutzung der von der Beklagten zu Werbezwecken erstellten Videoaufnahmen weiterhin fortbestehe. Die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung müsse bei der Veröffentlichung von Bildnissen eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber wegen des betroffenen Rechts auf informationelle Selbstbestimmung schriftlich erfolgen. Sei diese schriftliche Einwilligung wie vorliegend ohne jede Einschränkung erteilt worden, so erlösche sie nicht automatisch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ein solches automatisches Erlöschen trete nur dann ein, wenn der Arbeitnehmer seine Einwilligung von vornherein ausdrücklich auf den Zeitraum des Bestehens des Arbeitsverhältnisses begrenzt habe.

Ein nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärter Widerruf der Einwilligung durch den Arbeitnehmer sei zwar grundsätzlich möglich, vermöge die erteilte Einwilligung jedoch nur dann zu beseitigen, wenn der Arbeitnehmer hierfür einen plausiblen Grund anführe. Vorliegend habe der Kläger hingegen keinen plausiblen, über die Tatsache seines Ausscheidens hinausgehenden Grund für die gegenläufige Ausübung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung geltend gemacht. Demzufolge bestehe seine Einwilligung weiterhin fort, so dass er durch eine weitere Zugänglichmachung der Videoaufnahmen nicht widerrechtlich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt werden könne.

Praxishinweis:

der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist zunächst zu entnehmen, dass dieses offenbar zwingend eine schriftliche Einwilligungserklärung des Mitarbeiters voraussetzt, obwohl der Wortlaut des § 22 KUG und auch die bisher ihre bisherige Rechtsprechung der Zivil- und Arbeitsgerichte auch eine mündliche, gegebenenfalls auch stillschweigend erklärte Einwilligung ausreichen lässt. Offenbar geht das Bundesarbeitsgerichts davon aus, dass hier die Besonderheiten des Arbeitsrechts einen stärkeren Schutz des Arbeitnehmers erfordern. Arbeitgeber sollten daher zukünftig darauf 8., dass sie in jedem Fall vorher die schriftliche Einwilligung ihrer Mitarbeiter einholen.

wweiter stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass eine zuvor erklärte schriftliche Einwilligung  zwar widerrufen werden kann, hierfür muss der Mitarbeiter  aber zumindest einen plausiblen Grund dafür angeben, wobei nicht ausreichend sein dürfte, dass dieser seine Einwilligung nur aufgrund seines Ausscheidens widerrufen möchte. Bereits in der Vergangenheit war es umstritten, unter welchen Voraussetzungen  ein Widerruf erklärt werden kann. So ging hier die Bandbreite von freier Widerrufbarzeit bis hin zum Erfordernis eines  wichtigen Grundes. diese Diskussion dürfte nunmehr geklärt sein.. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht offen gelassen, was es genau unter einem plausiblen Grund versteht. Hier wird abzuwarten sein,  wie sich die Rechtsprechung in nächster Zeit entwickelt.

BAG, Urteil vom 19.2.20158 AZR 1011/13

(Quelle: Beck online)

Beleidigende Worte: Immer ein mit Strafe bedrohter Unterlassungsanspruch?

Wer im Zusammenhang mit einer einmaligen Eskalation bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinen Arbeitgeber beleidigt, ist nicht immer verpflichtet, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.

Die klagende Arbeitgeberin kündigte der in einer kleinen Filiale beschäftigten verklagten Arbeitnehmerin innerhalb der Probezeit und stellte sie sofort frei. Trotz Arbeitsunfähigkeit bestand sie auf sofortige Herausgabe von Firmeneigentum. Bei der Übergabe soll die Arbeitnehmerin in Anwesenheit des Shop-Leiters zu ihrer neu eingestellten Nachfolgerin u.a. gesagt haben, sie werde auch nur verarscht und angelogen. Den abwesenden Geschäftsführer bezeichnete sie mindestens sinngemäß als „Arschloch“. Die Arbeitnehmerin war nach der Übergabe nie wieder in der Filiale und hatte keine Berührungspunkte mehr zur Firma.

Die Arbeitgeberin verlangte von ihr, eine sogenannte strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Darin sollte sie sich verpflichten, konkret bezeichnete, aber streitige Äußerungen wörtlich oder sinngemäß zu unterlassen und für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von mehr als 5.000,00 Euro zu zahlen. Dazu war die Arbeitnehmerin nicht bereit. Daraufhin erhob die Arbeitgeberin vor dem Arbeitsgericht Kiel eine entsprechende Unterlassungsklage. Sie meinte, hier bestünde Wiederholungsgefahr, wie sich schon aus der Weigerung, die Erklärung abzugeben, zeige. Die verklagte Arbeitnehmerin hat im Rahmen des Rechtsstreits wiederholt versichert, dass sie sich über die Arbeitgeberin und deren Geschäftsführer seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr geäußert habe und auch nicht mehr äußern werde, und verteidigt sich gegen die Klage.

Die Klage der Arbeitgeberin war vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht nicht erfolgreich. Die Gerichte haben die Unterlassungsklage mangels Wiederholungsgefahr abgewiesen. Sind Äußerungen bereits einmal gefallen, wird zwar an sich das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr vermutet. Liegt aber eine einmalige eskalierende Situation vor, in der etwaige ehrverletzende Äußerungen über den Arbeitgeber abgegeben wurden, noch dazu bei beendetem Arbeitsverhältnis, spricht das gegen eine Wiederholungsgefahr. Das gilt auch dann, wenn die Arbeitnehmerin sich weigert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und sich gegen eine Unterlassungsklage verteidigt. Alle Einzelumstände des Falles und auch das Prozessverhalten müssen betrachtet werden.
Das Urteil ist – noch – nicht rechtskräftig.

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.08.2014 – 3 Sa 153/14

(Quelle: schleswig-holstein.de)

Keine Altersdiskriminierung durch die Staffelung der Kündigungsfristen nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit in § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB

Die vom Arbeitgeber einzuhaltende gesetzliche Kündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB beträgt vier Wochen zum Fünfzehnten oder Ende eines Kalendermonats und verlängert sich gemäß § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB bei längerer Betriebszugehörigkeit in mehreren Stufen. Diese Staffelung der Kündigungsfristen verletzt das Verbot der mittelbaren Altersdiskriminierung nicht.

Die Beklagte betreibt eine Golfsportanlage und beschäftigt nicht mehr als zehn Arbeitnehmer. Das Kündigungsschutzgesetz fand auf das Arbeitsverhältnis der Parteien darum keine Anwendung. Die 1983 geborene Klägerin war seit Juli 2008 als Aushilfe bei der Beklagten beschäftigt. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB zum 31. Januar 2012. Die Klägerin zieht die prinzipielle Wirksamkeit dieser Kündigung nicht in Zweifel. Sie ist jedoch der Auffassung, die Staffelung der Kündigungsfristen unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit begünstige ältere Arbeitnehmer, weil langjährig beschäftigte Arbeitnehmer naturgemäß älter seien. Jüngere Arbeitnehmer wie sie würden dagegen benachteiligt. Darin liege eine von der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) untersagte mittelbare Diskriminierung wegen des Alters. Dies habe zur Folge, dass die in § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BGB vorgesehene längst mögliche Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Ende eines Kalendermonats für alle Arbeitnehmer unabhängig von der tatsächlichen Dauer der Betriebszugehörigkeit gelten müsse. Darum habe das Arbeitsverhältnis erst mit dem 31. Juli 2012 geendet.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Zwar führt die Differenzierung der Kündigungsfrist nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu einer mittelbaren Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer. Die Verlängerung der Kündigungsfristen durch § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB verfolgt jedoch das rechtmäßige Ziel, länger beschäftigten und damit betriebstreuen, typischerweise älteren Arbeitnehmern durch längere Kündigungsfristen einen verbesserten Kündigungsschutz zu gewähren. Zur Erreichung dieses Ziels ist die Verlängerung auch in ihrer konkreten Staffelung angemessen und erforderlich iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i) RL 2000/78/EG. Darum liegt keine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters vor.

BAG, Urteil vom 18. September 2014 – 6 AZR 636/13

(Quelle: bundesarbeitsgericht.de)

LAG Hessen: Account-Manager darf wegen Löschung kundenbezogener Daten fristlos gekündigt werden

Löscht ein Account-Manager an seinem Arbeitsplatz eigenmächtig kundenbezogene Daten, rechtfertigt dies seine fristlose Kündigung. Dies hat das Landesarbeitsgericht Hessen entschieden und die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert.

Der Kläger war seit Anfang Januar 2009 bei der Beklagten, einem Unternehmen der EDV-Branche, als Account-Manager beschäftigt. Nach den Ermittlungen eines Sachverständigen löschte der Kläger am 29.06.2009 gegen 23:00 Uhr und am 30.06.2009 zwischen 11:02 Uhr und 14:50 Uhr von seinem Benutzer-Account im Betrieb etwa 80 eigene Dateien sowie weitere 374 Objekte (144 Kontakte, 51 Emails, 167 Aufgaben und 12 Termine). Hintergrund waren laufende Verhandlungen der Parteien um die Abänderung beziehungsweise Aufhebung seines Arbeitsvertrages. Am 01.07.2009 entdeckte die Arbeitgeberin die Löschungen und kündigte dem Kläger fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.08.2009. Das Arbeitsgericht hielt die Kündigung nur als ordentliche Kündigung für gerechtfertigt.

Das LAG vertritt dagegen die Ansicht, das Fehlverhalten des Klägers rechtfertige die fristlose Kündigung. Die umfangreiche Datenlöschung am 29. und 30.06.2009 habe das Vertrauen in die Integrität des Klägers vollständig zerstört. Die Daten stünden in der Verfügungsmacht des Arbeitgebers. Eine eigenmächtige Löschung durch einen Arbeitnehmer mit den sich daraus ergebenden internen Problemen und gegenüber Kunden sei ein so erheblicher Verstoß gegen selbstverständliche Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag, dass die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sei.

Auch eine Abmahnung, die in der Regel einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen vorangehen muss, sei hier nicht notwendig gewesen. Denn der Kläger habe genau gewusst, dass die Löschung der Daten von der Arbeitgeberin auf keinen Fall hingenommen werden würde.

LAG Hessen, Urteil vom 05.08.2013 – 7 Sa 1060/10

(Quelle: Beck online)

Kündigung durch Insolvenzverwalter während Elternzeit trotz sozialversicherungsrechtlicher Nachteile rechtmäßig

Im Fall der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Arbeitgebers muss der Insolvenzverwalter den Zeitpunkt zur Kündigung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht so wählen, dass mögliche sozialversicherungsrechtliche Nachteile ausgeschlossen sind. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 27.02.2014 entschieden.

Die Klägerin war im Versandhandel als Einkäuferin beschäftigt. Über das Vermögen ihrer Arbeitgeberin wurde am 01.09.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter kündigte gemäß § 113 Satz 2 InsO das Arbeitsverhältnis wegen Betriebsstilllegung zum 31.05.2010. Hätte er die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist eingehalten, wäre das Arbeitsverhältnis erst zum 30.06.2010 beendet worden. Die Klägerin befand sich im Zeitpunkt der Kündigung in Elternzeit. Durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlor sie die Möglichkeit, sich weiter beitragsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern (§ 192 SGB V). Dies war dem Insolvenzverwalter bekannt.

Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis erst zum 30.06.2010 beendet worden ist. Sie meinte, der Insolvenzverwalter habe ermessensfehlerhaft von der Möglichkeit, die Kündigungsfrist nach § 113 Satz 2 InsO abzukürzen, Gebrauch gemacht. Sie habe unter Berücksichtigung der Wertentscheidung des Art. 6 GG Anspruch auf Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Dagegen richtete sich die Revision der Klägerin.

Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr auch die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der Insolvenzverwalter müsse den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht an den sich aus § 192 SGB V ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Folgen ausrichten. Dass § 113 InsO für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur einen Schadenersatzanspruch vorsieht, stehe im Einklang mit Art. 6 GG.

BAG, Urteil vom 27.02.2014 – 6 AZR 301/12

(Quelle: Beck online)

ArbG Kiel: Steuerhinterziehung kann ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen

Wer sein Nettoeinkommen durch eine rechtswidrige Abrechnungspraxis steigert, muss mit einer ordentlichen Kündigung rechnen. Dies gilt auch, wenn er mit Kenntnis oder sogar mit Zustimmung des Vorgesetzten handelt, entschied das Arbeitsgericht Kiel.

Die seit vielen Jahren angestellte Arbeitnehmerin war bei der Beklagten, einem überregional tätigen Reinigungsunternehmen als Reinigungskraft, Vorarbeiterin und Objektleiterin beschäftigt. Zumindest bei einem Reinigungsobjekt hat sie dafür gesorgt, dass ihre Arbeit über zwei andere, auf geringfügiger Basis beschäftigte Mitarbeiterinnen abgerechnet wurde und diese der Klägerin das erhaltene Geld dann auszahlten. Als der Geschäftsführer hiervon erfuhr, kündigte die Arbeitgeberin fristlos, hilfsweise ordentlich. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Kündigungsschutzklage. Die Kündigung sei insgesamt unwirksam. Der Betriebsleiter habe ihr die Abrechnungspraxis vorgeschlagen und sie seit vielen Jahren im Betrieb angewandt. Die Beklagte bestreitet dies.

Das Arbeitsgericht hat ohne Beweisaufnahme entschieden, dass die außerordentliche Kündigung wegen eines formalen Fehlers unwirksam ist. Die ordentliche Kündigung hält das Gericht dagegen für wirksam. Die Klägerin habe mit ihrer Vorgehensweise ihre Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 BGB schwerwiegend verletzt. Sie habe gewusst, dass Gesetze umgangen werden. Die Schwere der Verfehlung und die Vorbildfunktion der Klägerin überwögen trotz langjähriger Betriebszugehörigkeit, Schwerbehinderung und im Übrigen beanstandungsfreier Tätigkeit.

Einer vorherigen Abmahnung habe es in diesem Fall nicht bedurft. Die Klägerin habe mit ihrem Verhalten in erster Linie sich selbst begünstigt und konnte nicht ernsthaft glauben, dass die vom Betriebsleiter gut geheißene Praxis von der auswärtigen Geschäftsführung gebilligt werden würde.

ArbG Kiel, Urteil vom 07.01.2014 – 2 Ca 1793 a/13

(Quelle: Beck online)

ArbG Kiel, Urteil vom 07.01.2014 – 2 Ca 1793 a/13

Entschädigung bei Kündigung trotz Schwangerschaft

Wird unter Verstoß gegen § 9 Mutterschutzgesetz einer schwangeren Arbeitnehmerin die Kündigung erklärt, stellt dies eine Benachteiligung wegen des Geschlechts dar, die einen Anspruch auf Entschädigung auslösen kann. Dies geht aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12.12.2013 hervor, mit dem die vorhergehende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Sachsen bestätigt wurde. Der Klägerin wurde eine Entschädigung in Höhe von 3.000 Euro zugesprochen.

Die Klägerin sieht sich aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert. Im Kleinbetrieb ihrer Arbeitgeberin galt zwar nicht das Kündigungsschutzgesetz, für die schwangere Klägerin bestand jedoch der besondere Kündigungsschutz des § 9 MuSchG. Anfang Juli 2011 wurde aus medizinischen Gründen zudem ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG für die Klägerin ausgesprochen. Dem Ansinnen der Beklagten, dieses Beschäftigungsverbot nicht zu beachten, widersetzte sich die Klägerin. Am 14.07.2011 wurde festgestellt, dass ihre Leibesfrucht abgestorben war. Für den damit notwendig gewordenen Eingriff wurde die Klägerin auf den 15.07.2011 ins Krankenhaus einbestellt. Sie unterrichtete die Beklagte von dieser Entwicklung noch am 14.07.2011 und fügte hinzu, dass sie nach der Genesung einem Beschäftigungsverbot nicht mehr unterliegen werde. Die Beklagte sprach umgehend eine fristgemäße Kündigung aus und warf diese noch am 14.07.2013 in den Briefkasten der Klägerin. Dort entnahm sie die Klägerin nach ihrer Rückkehr aus dem Krankenhaus am 16.07.2011.

Die Klägerin wurde nach Auffassung des BAG wegen ihrer Schwangerschaft von der Beklagten ungünstiger behandelt und daher wegen ihres Geschlechtes benachteiligt (§ 3 Abs. 1 Satz 2 AGG in Verbindung mit § 1 AGG). Dies ergebe sich schon aus dem Verstoß der Beklagten gegen das Mutterschutzgesetz. Da Mutter und totes Kind noch nicht getrennt waren, habe die Schwangerschaft noch im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bestanden. Auch der Versuch, die Klägerin zum Ignorieren des Beschäftigungsverbotes zu bewegen und der Ausspruch der Kündigung noch vor der künstlich einzuleitenden Fehlgeburt indizierten die ungünstigere Behandlung der Klägerin wegen ihrer Schwangerschaft. Der besondere, durch § 3 Abs. 1 AGG betonte Schutz der schwangeren Frau vor Benachteiligungen führe jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden auch zu einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG. Dies sei unabhängig von der Frage zu sehen, ob und inwieweit Kündigungen auch nach den Bestimmungen des AGG zum Schutz vor Diskriminierungen zu beurteilen sind.

BAG, Urteil vom 12.12.2013 – 8 AZR 838/12

(Quelle: Beck online)