LAG Hessen: Keine Kündigung einer 26 Jahre beschäftigen Bankangestellten wegen übersehenen Überweisungsfehlers

Eine Bank muss eine seit 26 Jahren bei ihr beschäftigte Angestellte weiterbeschäftigen, die einen Fehler im Betragsfeld eines Überweisungsträgers (222 Millionen statt 62,40 Euro) übersehen hatte, weil sie den Beleg nicht ordnungsgemäß kontrolliert hatte. Dies hat das Hessische Landesarbeitsgericht im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens entschieden und damit die Vorinstanz bestätigt. Zwar handele es sich um einen schweren Fehler. Die Kündigung der Angestellten sei aber dennoch nicht gerechtfertigt gewesen.

Die 48-jährige Klägerin arbeitet seit 1986 bei der beklagten Bank, zuletzt als Sachbearbeiterin im Zahlungsverkehr. Zu ihren Aufgaben gehört unter anderem die Überprüfung von Überweisungsbelegen und gegebenenfalls deren Korrektur. Am 02.04.2012 prüfte sie 603 Belege innerhalb von weniger als 1,4 Sekunden, 105 Belege innerhalb von 1,5 bis 3 Sekunden und nur 104 Belege in mehr als 3 Sekunden. Dabei übersah sie einen Fehler in dem Zahlungsbeleg eines Rentners. Wie sich herausstellte, war der vorprüfende Arbeitskollege, der allerdings nicht für die Prüfung des Betragsfelds des Belegs zuständig war, bei einem Sekundenschlaf auf die Taste «2» der PC-Tastatur geraten und hatte diese länger gedrückt gehalten. Dadurch war der Betrag von 62,40 Euro auf 222.222.222,22 Euro geändert worden. Durch eine systeminterne Prüfungsroutine wurde der Fehler bemerkt und berichtigt. Die Bank kündigte der Klägerin wegen vorsätzlicher Täuschung über ihre Arbeitsleistungen fristlos, hilfsweise fristgerecht. Denn die Klägerin habe die Belege nicht geprüft, sondern ohne Prüfung freigegeben. Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage der Klägerin statt.

Das LAG hat die Entscheidung des ArbG bestätigt. Eine vorsätzliche Schädigung des Arbeitgebers oder eine vorsätzliche Manipulation des Arbeitsablaufs lägen nicht vor. Nach der Vorbearbeitung durch den Arbeitskollegen könne der Klägerin nur noch eine unterlassene Kontrolle des Überweisungsträgers vorgeworfen werden. Dies sei zwar ein schwerer Fehler gewesen. Die für eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen notwendige negative Prognose sei nach Abwägung aller Umstände aber nicht erkennbar. Deshalb sei der beklagten Bank eine Abmahnung statt einer Kündigung noch zumutbar gewesen. Auch die von der Bank begehrte gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses hat das LAG zurückgewiesen. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür lägen nicht vor. Nach wie vor sei eine weitere den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit möglich.

LAG Hessen, Urteil vom 07.02.2013 – 9 Sa 1315/12

(Quelle: Beck online)

Bei Muttergesellschaft begangener Pflichtverstoß kann wichtigen Kündigungsgrund bei Tochtergesellschaft begründen

Für die Kenntnis der für die Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrages maßgebenden Tatsachen, die die Zweiwochenfrist nach § 626 II BGB in Lauf setzt, kommt es auf den Wissensstand des zur Entscheidung über die fristlose Kündigung berufenen und bereiten Gremiums der Gesellschaft an.

Die Befugnis, den Anstellungsvertrag zu kündigen, kann sowohl im Gesellschaftsvertrag als auch durch die Gesellschafter auf andere Personen übertragen werden.

Kenntnis liegt dann vor, wenn alles in Erfahrung gebracht worden ist, was als notwendige Grundlage für eine Entscheidung über Fortbestand oder Auflösung des Dienstverhältnisses anzusehen ist. Kennenmüssen oder grobfahrlässige Unkenntnis genügt nicht. (Leitsätze des Gerichts)

Der Kläger wendet sich gegen die fristlose Kündigung seines Geschäftsführeranstellungsvertrages mit der beklagten GmbH aus wichtigem Grund. Als solchen führte die Beklagte den Abschluss eines Schein-Beratervertrages zwischen einem Kommunalpolitiker und der Muttergesellschaft der Beklagten an; der Kläger war sowohl Geschäftsführer bei der Beklagten als auch bei ihrer Gesellschafterin. Weiter habe der Kläger die erforderliche Zustimmung des Gesellschafters zum Abschluss des Beratervertrages nicht eingeholt. Der Kläger meint, die Kündigung sei nicht innerhalb der Zweiwochenfrist gemäß § 626 II BGB erfolgt.

Der BGH bestätigt zunächst seine ständige Rechtsprechung, wonach es für die die Zweiwochenfrist in Lauf setzende Kenntnis im Sinne von § 626 II BGB – grob fahrlässige Unkenntnis genügt nicht – allein auf den Wissensstand des zur Entscheidung über die fristlose Kündigung berufenen und bereiten Gremiums der Gesellschaft ankommt. Kündigungsberechtigt sei bei der GmbH grundsätzlich die Gesellschafterversammlung als das analog § 46 Nr. 5 GmbHG zuständige Organ. Wenn die Gesellschaft nur einen Gesellschafter hat, komme es auf dessen Kenntnis bzw. die Kenntnis des organschaftlichen Vertreters des Alleingesellschafters an. Dieser könne jederzeit eine Universalversammlung nach § 51 III GmbHG abhalten und damit eine Kündigung auch ohne Einberufung einer förmlichen Gesellschafterversammlung aussprechen.

Werde eine andere Person zur Kündigung bevollmächtigt, was nach Ansicht des BGH zulässig ist, führe dies aber nicht dazu, dass für den Beginn der Kündigungserklärungsfrist allein die Kenntnis dieser Person maßgebend sei, sondern es sei auf das zuständige Gremium abzustellen.

Sei weiter eine Zustimmung der Konzernobergesellschaft für die Kündigung einzuholen, beginne zwar die zweiwöchige Erklärungsfrist erst nach Eingang der Zustimmung zu laufen. In diesem Fall sei allerdings die Kündigungsmöglichkeit verwirkt, wenn die Geschäftsführer der Gesellschafterin sich nach Kenntniserlangung nicht unverzüglich um die Zustimmung bemühten. Wenn die Einberufung der Gesellschafterversammlung von den einberufungsberechtigten Mitgliedern unangemessen verzögert wird, müsse sich die Gesellschaft so behandeln lassen, als wäre die Gesellschafterversammlung mit der zumutbaren Beschleunigung einberufen worden. Dieser Grundsatz gelte auch, wenn der Beschlussfassung ein anderes überwindbares Hindernis wie die Zustimmung der Gesellschafter-Gesellschafterin entgegensteht.

Etwaige Pflichtverletzungen des Klägers im Rahmen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Muttergesellschaft könnten auch eine fristlose Kündigung seines Anstellungsvertrages als Geschäftsführer der Beklagten als einer anderen Konzerngesellschaft rechtfertigen. Auch der vorgeworfene Kompetenzverstoß – Vertragsabschluss ohne Zustimmung des Gesellschafters – stelle grundsätzlich einen wichtigen Kündigungsgrund dar.

BGH, Urteil vom 09.04.2013 – II ZR 273/11 (

(Quelle: Beck online)

Massenentlassungsanzeige ohne Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat führt auch ohne konkrete Rüge des Arbeitnehmers zur Unwirksamkeit der Kündigung

Bei einer Massenentlassung ist die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens nach § 17 KSchG Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung. Eine ohne vorherige Konsultation mit dem Betriebsrat erstattete Massenentlassungsanzeige ist unwirksam. Der Arbeitnehmer muss diesen Fehler nicht konkret rügen, wenn sich aus den vom Arbeitgeber vorgelegten Unterlagen ein derartiger Unwirksamkeitsgrund eindeutig ergibt.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung. Die Beklagte ist eine ehemalige griechische Fluggesellschaft, die zu Ende September 2009 weltweit ihren Flugbetrieb eingestellt hatte. Die Interessenausgleichsverhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat scheiterten Ende 2009, der Sozialplan vom 04.12.2009 erging als Spruch der Einigungsstelle. Mit Schreiben vom 17.12.2009 hörte die Beklagte den örtlichen Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung nach § 102 BetrVG an und informierte über die geplante Massenentlassung nach § 17 II KSchG. Am gleichen Tag erstattete die Beklagte bei der Agentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige. Mit Schreiben vom 15.01.2010 kündigte sie das Arbeitsverhältnis. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage und argumentierte zweitinstanzlich u.a., dass die Beklagte der Agentur für Arbeit die Anhörungsschreiben an den Betriebsrat nicht übermittelt habe. ArbG und LAG wiesen die Klage ab.

Die Revision hatte Erfolg. Das BAG gab der Kündigungsschutzklage u.a. deswegen statt, weil die Beklagte die Massenentlassungsanzeige ohne vorheriges Konsultationsverfahren erstattet hatte.

Die Klägerin habe zwar nicht ausdrücklich Fehler beim Konsultationsverfahren nach § 17 II KSchG gerügt, jedoch pauschal Fehler bei der Massenentlassungsanzeige. Den Arbeitgeber treffe die Darlegungslast für die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens nach § 17 KSchG. Zwar könne der Arbeitnehmer nach substantiiertem Vortrag des Arbeitgebers sich nicht auf ein pauschales Bestreiten beschränken. Trage der Arbeitgeber jedoch ohne konkrete Rüge des Arbeitnehmers zu dem von ihm durchgeführten Massenentlassungsverfahren vor und ist eindeutig ersichtlich, dass er den Anforderungen des § 17 KSchG nicht genügt hat, hat das Gericht diesen Unwirksamkeitsgrund von Amts wegen zu berücksichtigen.

Die Beklagte habe gegen ihre Konsultationspflicht nach § 17 II KSchG verstoßen. Das Konsultationsverfahren sei nicht deswegen entbehrlich, weil der Betrieb stillgelegt worden sei. Solche Beratungen, die vor allem auf die Zahlung von Abfindungen oder die Einrichtung einer Transfergesellschaft zielen, seien zwar auch Gegenstand der Sozialplanverhandlungen. Es handele sich jedoch um verschiedene Verfahren, die nicht deckungsgleich seien. Bei einer geplanten Betriebsstilllegung müsse deshalb nicht nur das Verfahren nach §§ 111 ff. BetrVG, sondern auch nach § 17 II KSchG durchgeführt werden. Die Mitteilung an den örtlichen Betriebsrat vom 17.12.2009 genüge den Anforderungen des § 17 II KSchG schon deswegen nicht, da für das Konsultationsverfahren der Gesamtbetriebsrat originär zuständig gewesen wäre, weil der geplante Personalabbau auf der Grundlage eines unternehmenseinheitlichen Konzepts durchgeführt werden sollte und mehrere Betriebe von der Betriebsänderung betroffen waren.

BAG, Urteil vom 13.12.2012 – 6 AZR 5/12

(Quelle: beck-fachdienst Arbeitsrecht – FD-ArbR 2013, 345975)

Fristlose telefonische Eigenkündigung ist wirksam

Die fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers ist unter Umständen selbst dann wirksam, wenn er nicht die Schriftform einhält und auch gar kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliegt. Ein Urteil des LAG Rheinland-Pfalz erläutert, weshalb Arbeitnehmern widersprüchliches Verhalten zum Verhängnis werden kann.

Eine Friseurin erklärte ihrem Arbeitgeber in einem Telefongespräch mehrfach, sie wolle fristlos kündigen. Die Bitte des Arbeitgebers um Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist einer ordentlichen Kündigung wies sie kategorisch und mit drastischen Worten zurück.

Zu einem späteren Zeitpunkt kündigte ihr Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis schriftlich fristlos und vorsorglich auch fristgemäß zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Gegen die fristlose Kündigung des Arbeitgebers reichte die Friseurin Klage ein und beantragte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Frist einer ordentlichen Kündigung bestanden habe.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz bestätigte die für die Arbeitnehmerin ungünstige Entscheidung der Vorinstanz. Im Zeitpunkt der Kündigung durch den Arbeitgeber habe nämlich gar kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden.

Denn entgegen § 623 BGB, der hinsichtlich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen seit dem Jahr 2000 ausdrücklich die Schriftform vorschreibt, sei die telefonische Eigenkündigung ausnahmsweise als wirksam anzusehen.

Die Richter argumentieren, dass es der Frau wegen ihres eigenen Verhaltens verwehrt sei, sich im Nachhinein auf einen fehlenden Kündigungsgrund (§ 626 BGB) und die mangelnde Schriftform (§ 623) ihrer eigenen Kündigung zu berufen.

Sie könne sich nämlich nicht zu ihrem Vorteil auf Rechtsvorschriften berufen, die sie selbst missachtet habe. Es sei hier nicht möglich, der Eigenkündigung im Nachhinein die Wirksamkeit abzusprechen.

Das LAG Rheinland Pfalz bestätigte mit diesem Urteil als erstes LAG die Wirksamkeit einer mündlichen Kündigung nach Inkrafttreten von § 623 BGB in seiner aktuellen Fassung.

Angesichts dieses Urteils sollten Arbeitnehmer nicht übereilt mündlich „kündigen“, sondern auch in emotional aufgeladenen Konfliktsituationen Ruhe bewahren. Denn im Rahmen einer Kündigungsschutzklage kann eine mündliche Eigenkündigung – wie hier – zu erheblichen Nachteilen führen.

LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.02.2012

Aktenzeichen: 8 Sa 318/11

(Quelle: arbeitsrecht.de)

ArbG Berlin: bei fristloser Kündigung des Arbeitnehers auch vorherige Abmahnung erforderlich

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 04.01.2013  entschieden, dass Arbeitnehmer, die fristlos kündigen wollen, ihren Arbeitgeber zuvor vergeblich abgemahnt haben müssen. Der beklagte Arbeitnehmer war bei der Klägerin als Finanzbuchhalter beschäftigt. Da er eine neue Stelle gefunden hatte, wollte er sein Arbeitsverhältnis mit der Klägerin so schnell wie möglich beenden. Diese lehnte eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit sofortiger Wirkung jedoch ab und bestand auf die Einhaltung der dreimonatigen Kündigungsfrist. Der Finanzbuchhalter erklärte daraufhin die fristlose Kündigung. Diese begründete er mit den bereits im laufenden Jahr geleisteten 750 Überstunden und der so überschrittenen Grenze des Arbeitszeitgesetzes. Die von der Klägerin erhobene auf Feststellung der Unwirksamkeit gerichtete Klage vor dem Arbeitsgericht Berlin hatte Erfolg. Denn das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die Kündigung des beklagten Finanzbuchhalters nicht beendet, da ihm kein Recht zur fristlosen Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zustand. Eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314 Abs. 2 S. 1 BGB ist erst nach Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Das Arbeitsgericht führte in seiner Entscheidung aus, dass das übermäßige Heranziehen zu Überstunden zwar grundsätzlich einen wichtigen Grund darstellen könne, ob das hier gegebene „Arbeitspensum“ einen solchen darstellt, konnte das Gericht im Ergebnis aber offen lassen. Denn dem Erfordernis einer Abmahnung war der beklagte Arbeitnehmer nicht nachgekommen. In Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verlangen die Arbeitsgerichte seit Jahrzehnten, dass auch der fristlosen Eigenkündigung des Arbeitnehmers eine vergebliche Abmahnung vorauszugehen habe. Der beklagte Arbeitnehmer hätte seinen Arbeitgeber also zunächst abmahnen müssen, bevor er eine außerordentliche Kündigung ausspricht.

 Urteil ArbG Berlin vom 04.01.2013 ((28 Ca 16836/12)

Quelle: Beck online

LAG Hessen: Konkurrenztätigkeit eines Arbeitnehmers rechtfertigt fristlose Kündigung

Wer als Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber unerlaubt Konkurrenz macht, darf fristlos gekündigt werden. Das hat das Hessische Landesarbeitsgericht entschieden und damit ein Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden abgeändert.

Der 43-jährige Arbeitnehmer war seit August 2000 bei seinem Arbeitgeber, der einen Betrieb für Abflussrohrsanierungen führt, als Rohrleitungsmonteur beschäftigt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war der Arbeitnehmer im August 2007 zunächst im Auftrag seines Arbeitgebers bei einer Kundin, um die Abflussrohre im Bereich Küche und Keller mit einer Spezialkamera zu inspizieren. Einige Tage später kam er zurück und verlegte bei der Kundin neue Abflussrohre zur Behebung des festgestellten Schadens. Dafür verlangte er 900 Euro in bar, die die Kundin auch zahlte. Eine Quittung stellte der Arbeitnehmer nicht aus. Das Geld behielt er für sich. Der Arbeitgeber kündigte im Juli 2011, nachdem er wenige Tage vor der Kündigung von dem Vorfall aus dem Jahr 2007 erfahren hatte, als die Kundin bei ihm wegen der Nachbesserung mangelhafter Leistungen des Arbeitnehmers vorsprach.

Durch diese Konkurrenztätigkeit habe der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten massiv verletzt, entschied das LAG. Ein Arbeitnehmer dürfe im Marktbereich seines Arbeitgebers keine Dienste und Leistungen anbieten. Dem Arbeitgeber solle dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr nachteiliger Beeinflussung durch die eigenen Arbeitnehmer offenstehen. Die dem Arbeitnehmer im Juli 2011 ausgesprochene fristlose Kündigung sei deshalb wirksam gewesen, befand das LAG.

LAG Hessen, Urteil vom 28.01.2013 – 16 Sa 593/12

(Quelle: Beck online)

Rechtsweg bei Kündigung des GmbH-Geschäftsführers nach Insolvenz

1. Für einen Rechtsstreit zwischen dem Vertretungsorgan und einer juristischen Person sind nach der gesetzlichen Fiktion des § 5 I 3 ArbGG die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich nicht zuständig. Diese Fiktion gilt auch für das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis, solange keine Abberufung erfolgt ist.

2. Die Fiktion greift auch, wenn ein Arbeitnehmer zum Vertretungsorgan berufen und der Arbeitsvertrag stillschweigend – formlos – um die Funktion als Geschäftsführer ergänzt wird. In diesem Fall ist der geänderte Arbeitsvertrag Rechtsgrundlage der Geschäftsführertätigkeit.

3. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ändert nichts an der Organstellung des Vertretungsorgans. § 5 I 3 ArbGG gilt deshalb auch bei einer Kündigung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses durch den Insolvenzverwalter.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung, über Gehaltsansprüche und vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen. Der Kläger war für die spätere Insolvenzschuldnerin zunächst auf Grundlage eines Arbeitsvertrages tätig. Später wurde er aufgrund formloser Abrede zum Geschäftsführer bestellt. Ein Jahr später wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis und stellte den Kläger unwiderruflich von der Dienstpflicht frei. Eine Abberufung als Geschäftsführer erfolgte nicht. Der Kläger hat Kündigungsschutzklage vor dem ArbG erhoben und macht zudem Gehaltsansprüche geltend. Das ArbG hat den Rechtsstreit an das LG verwiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers hat das LAG den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für eröffnet erklärt.

Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Beklagten war erfolgreich. Das BAG hält den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht für eröffnet. Es handele sich um keine Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber i.S.v. § 2 I Nr. 3a, b ArbGG. Der Kläger gelte als Mitglied des Vertretungsorgans der Schuldnerin nach § 5 I 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer. Diese Fiktion greife auch unabhängig davon, ob das der Organstellung zugrundeliegende Rechtsverhältnis materiellrechtlich als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis ausgestaltet sei. Selbst wenn das Anstellungsverhältnis mit dem Geschäftsführer wegen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren sei, seien nach ständiger Rspr. des BAG die ordentlichen Gerichte zuständig.

Vorliegend sei der ursprünglich abgeschlossene Arbeitsvertrag zwischen Kläger und Schuldnerin Rechtsgrundlage für die Geschäftsführertätigkeit. Mit dem Kläger sei kein zusätzlicher Geschäftsführerdienstvertrag abgeschlossen worden. Vielmehr sei der Arbeitsvertrag formlos um die Übernahme der Geschäftsführung ergänzt worden. Da der Kläger vor Ausspruch der Kündigung nicht abberufen wurde, sei der Arbeitsvertrag auch weiterhin Rechtsgrundlage einer Tätigkeit in Organstellung. Auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe daran nichts geändert. Unter Hinweis auf Rspr. des BGH zur Abgrenzung der Verantwortlichkeiten von Insolvenzverwalter und Organmitgliedern einer Insolvenzschuldnerin (BGH, BeckRS 2006, 02722) stellte das BAG fest, dass die Organstellung des Organs einer juristischen Person hiervon unberührt bleibe. Die gesetzlichen Vertreter der Schuldnerin würden durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zu Arbeitnehmern i.S.d. ArbGG.

Anders wäre die Rechtswegfrage zu beurteilen gewesen, wenn der Kläger zunächst von seiner Organstellung abberufen worden wäre. Macht ein Organmitglied nach seiner Abberufung im Rahmen einer Kündigungsschutzklage den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses geltend, genügt für die Eröffnung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten seine bloße Rechtsauffassung, er sei auf der Basis eines Arbeitsvertrages tätig gewesen. In diesem Fall entfällt die Fiktion des § 5 I 3 ArbGG (BAG, ArbRAktuell 2013, 131 m. Anm. Arnold). Nach Wegfall der Fiktion können Ansprüche aus dem zuvor der Geschäftsführerbestellung zugrundeliegenden Arbeitsvertrag vor den Gerichten für Arbeitssachen geltend gemacht werden. Das BAG bestätigt in dieser Entscheidung, dass dies gerade auch für die während der Zeit der Geschäftsführerbestellung auf einer arbeitsvertraglichen Basis entstandenen Ansprüche gilt.

BAG, Beschluss vom 04.02.2013 – 10 AZB 78/12

(Quelle:beck-fachdienst Arbeitsrecht – FD-ArbR 2013, 343958)

Auch ständige Leiharbeitnehmer sind bei Betriebsgrößenberechnung gemäß KSchG mitzuzählen

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass bei der Berechnung der Betriebsgröße auch im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind, wenn ihr Einsatz auf einem «in der Regel» vorhandenen Personalbedarf beruht. Dies gebiete eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG. Der Kläger war seit Juli 2007 bei der Beklagten beschäftigt. Diese beschäftigte einschließlich des Klägers zehn eigene Arbeitnehmer. Im November 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgerecht. Mit seiner Kündigungsschutzklage hat der Kläger geltend gemacht, bei der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer seien auch die von der Beklagten eingesetzten Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen, weil das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde. Die Revision des Klägers hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Es sei nicht auszuschließen, dass im Betrieb der Beklagten mehr als zehn Arbeitnehmer im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG beschäftigt waren. Der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern stehe nicht schon entgegen, dass sie kein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber begründet haben. Die Herausnahme der Kleinbetriebe aus dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes solle der dort häufig engen persönlichen Zusammenarbeit, ihrer zumeist geringen Finanzausstattung und dem Umstand Rechnung tragen, dass der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringt, die Inhaber kleinerer Betriebe typischerweise stärker belastet. Dies rechtfertige keine Unterscheidung danach, ob die den Betrieb kennzeichnende regelmäßige Personalstärke auf dem Einsatz eigener oder dem entliehener Arbeitnehmer beruht. Der Senat hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Es steht noch nicht fest, ob die im Kündigungszeitpunkt im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer aufgrund eines regelmäßigen oder eines für den Betrieb «in der Regel» nicht kennzeichnenden Geschäftsanfalls beschäftigt waren.

BAG, Urteil vom 24.01.2013, Az.: 2 AZR 140/12

(Quelle: Beck online)

Auch bei wiederholtem Rückfall keine Entlassung alkoholkranker Mitarbeiter

Ein Rückfall während einer ambulanten Therapie rechtfertigt jedenfalls dann keine Kündigung, wenn es zu keiner erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen gekommen ist. Das geht aus einem Urteil das LAG Berlin-Brandenburg hervor.

Ein an Trunksucht erkrankter Elektriker hatte sich in einer Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber zur Teilnahme an einer ambulanten Therapie verpflichtet. Nach einem während dieser Therapie erlittenen zweiten Rückfall sprach dieser eine Kündigung aus.

Der Arbeitgeber trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, dass betriebliche Beeinträchtigungen vorlägen. Zum einen würde aufgrund der gefahrgeneigten Tätigkeit des Elektrikers selbst ein einmaliger Fehltritt zu erheblicher Eigen- und/oder Fremdgefährdung führen und zum anderen sei mit hohen krankheitsbedingten Fehlzeiten zu rechnen.

Die Richter des LAG Berlin-Brandenburg bestätigten nun die für den Arbeitnehmer günstige Entscheidung der Vorinstanz.

Sie argumentieren dabei mit den bewährten für krankheitsbedingte Kündigungen aufgestellten Grundsätzen (negative Prognose, betriebliche Interessen, Interessenabwägung).

Hinsichtlich der ersten Stufe (negative Prognose) bestünden bereits Bedenken, ob ein einziger Alkoholkonsum bereits eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen zukünftigen Gesundheitszustands rechtfertige.

In jedem Fall lägen hier die Voraussetzungen der zweiten Stufe (Beeinträchtigung betrieblicher Interessen) nicht vor. Insbesondere sei der Arbeitnehmer nicht unter dem Gesichtspunkt der Eigen- und Fremdgefährdung als ungeeignet anzusehen. Voraussetzung hierfür sind alkoholbedingte Ausfallerscheinungen bei der Arbeit. Zu solchen ist es seit Abschluss der Therapievereinbarung nicht gekommen.

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.09.2012, Az. 15 Sa 911/12

(Quelle: arbeitsrecht.de)

Bloße Behauptung des Wegfalls einer Hierarchieebene genügt nicht

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass Arbeitgeber eine ordentliche, betriebsbedingte Kündigung nicht ohne Weiteres auf den Wegfall einer Hierarchieebene stützen können. In solchen Fällen gelten nämlich erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast.

Der Betriebsrat hatte der Kündigung mit der Begründung widersprochen, dass die Beschäftigungsmöglichkeiten des Klägers nicht weggefallen seien.

In der Kündigungsschutzklage vertritt der Kläger die Auffassung, dass kein dringendes betriebliches Erfordernis für seine Entlassung vorliege. Sein Arbeitsplatz sei bei im Wesentlichen gleich bleibenden Aufgaben lediglich neu besetzt worden. Eine Verlagerung bisher durch ihn erledigter Aufgaben auf andere Arbeitnehmer sei nicht ohne deren überobligatorische Inanspruchnahme möglich gewesen.

Der beklagte Arbeitgeber rechtfertigt die Kündigung mit der unternehmerischen Entscheidung, Produktionsstandorte zusammenzulegen sowie Funktionen und Zuständigkeiten zu bündeln. Die Stelle des Klägers sei dabei weggefallen und er – der Arbeitgeber – sei nicht verpflichtet, diesen weiterzubeschäftigen.

Das BAG hat nun festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht wirksam aufgelöst wurde.

Zur Begründung führen die Richter im Wesentlichen aus, dass die ordentliche Kündigung mangels eines dringenden betrieblichen Erfordernisses im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt sei.

Insbesondere liege keine hinreichende innerbetriebliche, organisatorische Maßnahme des Arbeitgebers vor. Zwar prüfe das Gericht nicht die hinter einer solchen Maßnahme stehende unternehmerische Entscheidung, wohl aber deren tatsächliche Umsetzung.

Im hier zu entscheidenden Fall sei es dem Arbeitgeber nicht gelungen, überzeugend zu verdeutlichen, ob und wie seine zur Begründung der Entlassung angeführten Entscheidung konkret umgesetzt werde.

Er habe nicht hinreichend konkret erläutert, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen sollen.

BAG, Urteil vom 24.05.2012, Az. 2 AZR 124/11

(Quelle: arbeitsrecht.de)